Nephrotisches Syndrom

Das nephrotische Syndrom ist kein eigenständiges Krankheitsbild. Vielmehr handelt es sich um ein gemeinsames Auftreten verschiedener Beschwerden und Symptome, die durch eine Minderfunktion der Nieren entstehen. Charakteristisch für das nephrotische Syndrom ist ein hoher Eiweißverlust über den Urin. Dieser Verlust an Eiweiß zieht weitere Symptome wie einen Anstieg der Blutfettwerte und Wassereinlagerungen im Gewebe nach sich. Sowohl Erwachsene als auch Kinder können von dem nephrotischen Syndrom betroffen sein.

Die Nieren als Filtersystem

Die Nieren sind mit einem Filtersystem, das sich aus den Nierenkörperchen und den Nierenkanälchen zusammensetzt, ausgestattet. Zusammen bilden diese die kleinste Funktionseinheit des Organs – das Nephron. Das Filtersystem lässt Wasser und kleine Stoffe wie Mineralien durch, hält aber große Moleküle wie Eiweiße und Zucker zurück, sodass diese im Blut verbleiben. Die Eiweiße haben u.a. eine Funktion, die einem Schwamm ähneln. Sie saugen das Wasser auf und binden es. So tragen sie zum Gleichgewicht des Wasserhaushalts im Körpergewebe und in den Blutgefäßen bei. Beim nephrotischen Syndrom weist dieses Filtersystem eine mangelnde Funktion auf, sodass große Mengen an Eiweiß über den Urin abgegeben werden. Infolge dieser Eiweiß-Abgabe verlagert sich die Flüssigkeit der Blutgefäße in das Körpergewebe – ein Ungleichgewicht des Wasserhaushalts entsteht und es bilden sich Ödeme im Gesicht, an den Armen und an den Beinen.

Vier Kardinalsymptome und Beschwerden, die sich aus diesen entwickeln

Die typischen Beschwerden, die mit dem nephrotischen Syndrom einhergehen, sind:

  • Ödeme
  • Proteinurie (eiweißhaltiger und schaumiger Urin)
  • Hyperlipoproteinämie (erhöhte Werte an Lipoproteinen, Cholesterin und Triglyceriden im Blut)
  • Hypoproteinämie (verminderte Konzentration an Gesamteiweiß im Blutplasma)

Diese vier Symptome stellen die sogenannten Kardinalsymptome des nephrotischen Syndroms dar. Sie können weitere Beschwerden wie Bluthochdruck, Flankenschmerzen, Blut im Urin und Bauchschmerzen verursachen.

Darüber hinaus kann es aufgrund des allgemeinen Verlusts an Eiweißen zu einem Antikörpermangel kommen. Dieser Mangel an Antikörpern – Antikörper sind Eiweiße, die im Blut zirkulieren – kann zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber Infekten führen. Aus dem Grund, dass im Rahmen des nephrotischen Syndroms auch Gerinnungsfaktoren und deren Gegenspieler wie das Antithrombin über die Niere abgegeben werden, können sich im gesamten Körper Blutgerinnsel bilden. Diese Thromboseneigung wird zusätzlich durch den allgemeinen Wasserverlust ins Gewebe verstärkt.

Ist das nephrotische Syndrom weit fortgeschritten, kann sich eine Niereninsuffizienz herausbilden. Als Folge dieser verstärken sich die Ödeme und der Blutdruck stiegt weiter an. Zudem kann die Urinproduktion gemindert werden und es kann ein Anstieg an harnpflichtigen Giftstoffen im Blut entstehen, was langfristig zu Bewusstseinsstörungen führen kann. Hat das Syndrom solche Ausmaße erreicht, kann es lebensgefährlich sein.

Die Ursache liegt in einer Schädigung der Nierenkörperchen

Die Ursache für das nephrotische Syndrom sind Nierenschädigungen, genauer: Schädigungen der Nierenkörperchen. In der Medizin unterschiedet man zwischen einer primären und einer sekundären Nierenkrankheit. Die primäre Nierenkrankheit geht von den Nieren selbst aus, die sekundäre Form entwickelt sich aus einer anderen Erkrankung, die zunächst nicht die Nieren betrifft.

Grunderkrankungen, die ein nephrotisches Syndrom begünstigen können

Bei Erwachsenen liegt die Ursache für ein nephrotisches Syndrom häufig in einer chronisch-entzündlichen Erkrankung der Nierenkörperchen. Zu diesen Erkrankungen zählt beispielsweise die membranöse Glomerulopathie. Im Rahmen dieser Krankheit lagert sich eine große Anzahl an Antikörpern in den Nierenkörperchen ab. Außerdem kann Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) bei erwachsenen Menschen ein nephrotisches Syndrom begünstigen: Im Verlauf der Krankheit bilden sich in den Nierenkörperchen Ablagerungen, welche die Filterfunktion der Nieren stark einschränken. Wird dieses Symptom nicht rechtzeitig behandelt, kann sich ein nephrotisches Syndrom ausbilden. Des Weiteren können sogenannte glomeruläre Minimalläsionen eine Störung bestimmter Abwehrzellen verursachen. Diese Störung führt zu Schäden an den Nierenkörperchen. Die glomerulären Minimalläsionen, auch Minimal Change-Glomerulopathie genannt, ist in etwa zehn Prozent der Fälle eines nephrotischen Syndroms bei Erwachsen die Ursache.

Weitere mögliche Auslöser für ein nephrotisches Syndrom sind bestimmte Autoimmunerkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes sowie die sogenannte Amyloidose. Von der letzteren sind vor allem ältere Menschen betroffen. Im Rahmen dieser Krankheit bilden sich Eiweißablagerungen in den Organen.

Bei Kindern liegt die häufigste Ursache für ein nephrotisches Syndrom in der Minimal Change-Glomerulopathie.

Die Diagnose des nephrotischen Syndroms

Die Diagnose des Syndroms setzt sich aus einer Anamnese, einer körperlichen Untersuchung sowie aus einer Urin- und aus einer Blutuntersuchung zusammen. Im Rahmen des Anamnesegesprächs fragt der Arzt den Patienten u.a. nach möglichen Vorerkrankungen und nach seinen Beschwerden. Die körperliche Untersuchung gibt Aufschluss darüber, ob Nierenschmerzen bestehen, wenn der Arzt diese abklopft und, ob sich Ödeme gebildet haben. Bei der Blut- und der Urinuntersuchung werden vor allem die Proteine und die Blutfettwerte sowie die Kreatinwerte und der Harnstoffwert untersucht. Darüber hinaus kann die Untersuchung des Urins zeigen, welche Proteine besonders über den Urin verloren gehen. Hierdurch lassen sich wiederum Rückschlüsse auf die Ursache machen. Des Weiteren kann eine Ultraschalluntersuchung der Nieren notwendig sein. Zur Sicherung der Diagnose wird eine Nierenbiopsie durchgeführt: Der Arzt entnimmt eine Gewebeprobe und untersucht diese anschließend unter dem Mikroskop.

Die Therapie: Linderung der Symptome und Bekämpfung der Grunderkrankung

Die Therapie des nephrotischen Syndroms ist maßgeblich von der Ursache, d.h. von der Grunderkrankung abhängig. Aus dem Grund, dass diese nicht in jedem Fall ursächlich behandelt werden kann, zielen die Behandlungsmaßnahmen häufig auf die Linderung der Symptome ab: Um den erhöhten Blutdruck zu senken, werden blutdrucksenkende Mittel wie ACE-Hemmer verschrieben. Die Senkung des Blutdrucks gilt als sehr wichtige Therapiemaßnahme, da ein hoher Blutdruck die Nieren zusätzlich schädigt.

Haben sich Ödeme gebildet, lassen sich diese meist mit entwässernden Mitteln (Diuretika) ausschwemmen. Damit sich nicht erneut Flüssigkeit im Gewebe ansammelt, werden dem Patienten Trinkempfehlungen gegeben und er muss eine maximale Kochsalzaufnahme von sechs Gramm am Tag berücksichtigen. Durch die Diuretika werden neben Wasser auch Elektrolyte (Kalium, Natrium, …) ausgeschieden. Damit kein Mangel entsteht, kontrolliert der behandelnde Arzt regelmäßig den Gehalt der Elektrolyte im Blut. Es muss beachtet werden, dass die Entwässerung durch Diuretika nicht plötzlich erfolgen darf! Andernfalls kommt es zu einem zu starken Flüssigkeitsverlust in zu kurzer Zeit und das Risiko für Blutgerinnsel ist erhöht.

Generell geht mit dem nephrotischen Syndrom ein erhöhtes Risiko für Blutgerinnsel einher. Um Thrombosen vorzubeugen, werden gerinnungshemmende Medikamente verabreicht. Außerdem können Kompressionsstrümpfe die Bildung von Blutgerinnseln vermeiden. Hat sich bereits eine Thrombose entwickelt, werden sogenannte Blutverdünner gegeben. So werden die Gerinnsel aufgelöst.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

Gehen mit dem nephrotischen Syndrom erhöhte Blutfettwerte einher, werden diese mit Cholesterinsenkern behandelt. Zu den cholesterinsenkenden Mitteln zählen beispielsweise sogenannte CSE-Hemmer. In den meisten Fällen reicht die bloße Umstellung auf eine cholesterin- und fettarme Ernährung nicht aus.

In vielen Fällen geht mit dem Syndrom eine Immunschwäche und eine erhöhte Infektanfälligkeit einher. Diese entstehen durch den großen Verlust an Antikörpern über den Urin. Leidet ein Patient an einem bakteriellen Infekt, kann dieser mithilfe von Antibiotika bekämpft werden. Sollte der Verlust an Antikörpern sehr groß sein, können die fehlenden Immunglobuli durch Infusionen ersetzt werden. In dem Fall, dass der Eiweißverlust über den Urin weiter bestehen bleibt, gehen jedoch auch diese Antikörper verloren.

Die Behandlung der Ursachen

Die membranöse Glomerulopathie zählt zu den häufigsten Ursachen des Syndroms bei Erwachsenen. Der Auslöser für diese Erkrankung ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Um die Erkrankung und somit auch die Ursache für das nephrotische Syndrom zu bekämpfen, kommen entzündungshemmende und das Immunsystem hemmende Medikamente zum Einsatz. Da durch diese Immunsuppressiva das körpereigene Abwehrsystem geschwächt wird, können zusätzlich Antibiotika verabreicht werden. So wird einem bakteriellen Infekt vorgebeugt.

Immunsuppressiva können auch eingesetzt werden, um die Minimal Change-Glomerulopathie – die häufigste Ursache für das nephrotische Syndrom bei Kindern – zu behandeln. Allerdings kommt es, sobald die Medikamente abgesetzt werden, in nicht seltenen Fällen zu einem Rückfall. In solch einem Fall kommen andere Mittel wie Ciclosporin A zum Einsatz.

Die beste Maßnahme zur Vorbeugung ist ein gesunder Lebensstil

Das nephrotische Syndrom ist häufig die Folge einer anderen Erkrankung. Aus diesem Grund ist ein gesunder Lebensstil die beste Vorbeugung gegen das Syndrom. Neben einer gesunden Ernährung und ausreichend Bewegung sollten die Nieren täglich gut durchgespült werden: Es gilt, täglich mindestens zwei Liter Wasser aufzunehmen. Darüber hinaus sollte auf eine unnötige und vor allem übermäßige Medikamenteneinnahme verzichtet werden. Eine Erkrankung, die das nephrotische Syndrom begünstigen kann, sollte frühzeitig behandelt werden.

Aktualisiert am 17. Februar 2021