Nykturie

Mit dem Begriff „Nykturie“ beschreibt man in der Medizin das nächtliche Wasserlassen bzw. den nächtlichen Harndrang. Menschen mit Nykturie klagen häufig über einen stark beeinträchtigten Schlaf, wodurch die Lebensqualität gemindert wird. Per Definition spricht man von Nykturie, wenn der Schlaf mindestens zweimal für das Wasserlassen unterbrochen werden muss. Es wird eine Abklärung durch einen Arzt empfohlen, denn eine Nykturie kann auf verschiedene Erkrankungen hinweisen.

Vor allem ältere Menschen sind betroffen

Nächtliches Wasserlassen betrifft überwiegend Menschen im fortgeschrittenen Alter. Beide Geschlechter sind gleichhäufig betroffen – etwa 75 Prozent aller über 60-jährigen klagen über Nykturie.

Die Nykturie kann viele Begleitbeschwerden bedingen

Die Nykturie stellt meist deutlich mehr als eine unangenehme Alterserscheinung dar: Der Schlaf wird gestört, sodass die Betroffenen am nächsten Tag sehr müde sind. Mit dieser Müdigkeit können auch Konzentrationsstörungen einhergehen. Außerdem klagen Betroffene nicht selten über Kopfschmerzen. Auch eine Depression kann hervorgerufen oder verstärkt werden. Darüber hinaus geht mit dem nächtlichen Wasserlassen ein erhöhtes Risiko für Stürze einher: Es kann zu Frakturen und anderen Verletzungen kommen.

Ursachen: Polyurie und urologische Störungen

Die Nykturie ist ein Symptom vieler verschiedener Erkrankungen und Störungen. Grundsätzlich sind zwei Mechanismen für den nächtlichen Harndrang verantwortlich: Die Polyurie und eine urologische Ursache. Der erste Begriff steht für eine übermäßige Produktion von Urin, urologische Ursachen können eine Vergrößerung der Prostata, eine überaktive Harnblase und weitere Faktoren sein.

Polyurie – eine vermehrte Urin-Produktion

Die übermäßige Urinproduktion kann die Folge einer Herzinsuffizienz sein: Durch die mangelnde Pumpfunktion des Organs entstehen Beinödeme, d.h. der Körper lagert über den Tag verteilt Wasser in den Beinen ab. Dieses Wasser wird nachts wieder ausgeschwemmt, woraus ein vermehrter Harndrang entsteht. Ist eine Herzinsuffizienz die Ursache für die Nykturie, bestehen meist auch eine allgemeine Leistungsschwäche sowie Atemnot.

Auch Diabetes mellitus kann die Ursache für erhöhten Harndrang sein: Zum einen nehmen Diabetiker vermehrt Flüssigkeit zu sich und zum anderen führt der erhöhte Blutzuckerspiegel zu einer vermehrten Urinproduktion. Kommt es nicht nur zu nächtlichem Harndrang, sondern auch zu einem starken Durstgefühl und zu einem ungewollten Gewichtsverlust, deutet das auf die Zuckerkrankheit als Ursache für die Nykturie hin.

In jedem Fall sollte die Nierenfunktion überprüft werden: Sind die Blutfilter der Niere geschädigt, kann sich das Protein Albumin im Urin anreichern. Dann ist die Rede von einer Albuminurie. Das Protein bindet Wasser, wodurch mehr Urin ausgeschieden wird.

Weitere Faktoren, die eine zu hohe Urinproduktion bewirken können

Darüber hinaus können einige Medikamente die vermehrte Produktion von Urin bewirken. Zu diesen Medikamenten zählen u.a. Diuretika, also entwässernde und harntreibende Mittel. Um das nächtliche Wasserlassen zu unterbinden, sollten diese Medikamente nicht am Abend eingenommen werden. Aber auch gewisse Antibiotika, Antidepressiva und sogenannte Kalziumantagonisten können das Urinvolumen steigern.

Eher selten findet sich die Ursache für die Nykturie in einem nächtlichen Mangel des Hormons ADH. Dieses Hormon ist für die verminderte Produktion von Urin in der Nacht verantwortlich. Wird nicht ausreichend ADH ausgeschüttet, kann das also zu einer vermehrten nächtlichen Urinproduktion führen. Vor allem Menschen, die in Wechselschichten arbeiten, können eine gestörte nächtliche ADH-Produktion aufweisen, sodass es nach der Umstellung vom Nacht- auf den Tagrhythmus zu einer kurzzeitigen Nykturie kommen kann.

Auch das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom kann die Ursache für nächtlichen Harndrang sein. Wird die Schlafapnoe behandelt, geht auch die Nykturie zurück. Personen, die an diesem Syndrom leiden, sind häufig sehr müde, vergesslich und sie können sich meist schlecht konzentrieren.

Eine Vergrößerung der Prostata und andere urologische Ursachen

Vor allem ältere Männer sind von einer gutartigen Vergrößerung der Prostata betroffen. Diese Vergrößerung wird auch als „benigne Prostatahyperplasie“ bezeichnet. Sie ist eine häufige Ursache für die Nykturie. Durch das vergrößerte Organ wird die Harnröhre eingeengt, sodass beim Wasserlassen nicht der ganze Urin aus der Harnblase befördert werden kann. Es bleibt also ein sogenannter Restharn in der Harnblase. Dieser kann bis zu mehrere hundert Milliliter betragen. Das führt dazu, dass die Harnblase bereits bei der Aufnahme von kleinen Trinkmengen wieder schnell gefüllt ist – Harndrang entsteht. Die Vergrößerung der Prostata kann auch auf Prostatakrebs hinweisen. Aus diesem Grund sollte bei entsprechenden Beschwerden unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.

Eine überaktive Blase findet man meist bei Frauen. Betroffene verspüren sowohl am Tag als auch abends und in der Nacht einen erhöhten Harndrang. Als Ursache gelten eine Überaktivität sowie eine Fehlsteuerung des Blasenmuskels.

Ein vermehrter Harndrang kann auch im Rahmen von Infekten der Harnröhre oder der Harnblase entstehen. Liegt die Ursache in einem derartigen Infekt, besteht beim Wasserlassen meist ein Brennen.

Eine eher seltene Ursache für das nächtliche Wasserlassen besteht in einer reduzierten Kapazität der Blase für Urin. Zu einem verminderten Fassungsvermögen kann es beispielsweise im Rahmen von Blasentumoren oder Blasensteinen kommen.

So sucht der Arzt nach der Ursache für die Nykturie

Bei dem Verdacht auf eine Nykturie ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner für den Patienten. Der direkte Gang zum Urologen ist deshalb nicht empfehlenswert, da dem nächtlichen Harndrang nicht nur urologische Ursachen zugrunde liegen können.

Der Hausarzt verschafft sich zunächst einen Überblick über die Probleme des Patienten. Das Anamnesegespräch hilft dabei, bereits einige Ursachen auszuschließen bzw. die möglichen Ursachen einzugrenzen. Je nach Verdacht, führt der Arzt weitere Untersuchungen durch und er überweist den Patienten möglicherweise an einen Facharzt wie einen Urologen, einen Neurologen oder einen Kardiologen.

Mögliche Fragen in dem Eingangsgespräch sind:

  • wie oft muss der Patient in der Nacht auf die Toilette?
  • seit wann klagt der Patient über den nächtlichen Harndrang?
  • wie viel Urin wird ausgeschieden?
  • bestehen die Probleme auch tagsüber?
  • bestehen Begleitbeschwerden wie Tagesmüdigkeit, Atemnot oder ein Brennen beim Wasserlassen?
  • bestehen Vorerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus)?
  • werden regelmäßig Medikamente eingenommen?

In einigen Fällen bittet der Arzt den Patienten, ein sogenanntes Trink- und Miktionstagebuch zu führen. In diese „Tagebuch“ sammelt der oder die Betroffene Informationen über die täglich zugeführte Menge an Flüssigkeit und er oder sie macht Angaben über die beim Toilettengang jeweils ausgeschiedene Menge an Urin.

Mögliche Untersuchungen

Je nach der vermuteten Ursache, führt der Arzt einige der folgenden Untersuchungen durch.

  • allgemeine körperliche Untersuchung: Der Arzt verschafft sich einen Überblick über die gesundheitliche Situation des Betroffenen. Ein Beispiel für die allgemeine körperliche Untersuchung ist das Abhören mit einem Stethoskop. Dieses Verfahren wird als Auskultation bezeichnet.
  • zieht der Mediziner eine Ursache, die im Herzen liegt, in Betracht, führt er ein EKG durch. Auch ein Belastungs-EKG kann sinnvoll sein. Auf diese Weise werden die Herzströme in Ruhe und/ oder unter körperlicher Belastung aufgezeichnet.
  • mithilfe eines Ultraschalls lassen sich die Nieren, die Prostata und die Blase bildlich darstellen und untersuchen.
  • bei Männern kann eine rektale Abtastung der Prostata Hinweise über die Beschaffenheit und die Größe des Organs liefern.
  • per Urin-Schnelltest kann der Urin auf Zucker und Blut untersucht werden. Auf diese Weise können eine Zuckerkrankheit und ein urologisches Problem festgestellt werden.
  • eine Blutuntersuchung liefert wichtige Hinweise über sämtliche gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Die Therapie besteht aus der Behandlung der Ursache

Im Rahmen der Therapie einer Nykturie gilt es, die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln. Ist das nächtliche Wasserlassen beispielsweise auf eine überaktive Blase zurückzuführen, kann ein regelmäßiges Blasentraining hilfreich sein: Der Patient wird zunächst dazu angehalten, seine Toilettengänge in einem Tagebuch zu notieren. In einem zweiten Schritt wird der Harndrang immer wieder kurzzeitig unterdrückt. Durch dieses Training soll die Blase an mehr Füllmenge gewöhnt werden, sodass der Harndrang mit zunehmendem Training immer später einsetzt. Das führt letztendlich dazu, dass die Zeit zwischen den Toilettengängen verlängert wird.

Es besteht auch die Möglichkeit, eine Nykturie medikamentös zu behandeln: Es kommen Mittel zum Einsatz, die die Wirkweise des körpereigenen Botenstoffes Acetylcholin auf die Nervenenden unterdrücken. Dieser Botenstoff ist für die Harnblasen-Entleerung verantwortlich.

Bei Frauen kommen häufig Östrogene, also weibliche Geschlechtshormone, zum Einsatz. Und zwar dann, wenn ein Mangel an diesen besteht. Die Östrogene werden als Zäpfchen oder in Salbenform verabreicht. Nach einer Geburt können zudem sogenannte Rückbildungskurse hilfreich sein. Diese stärken die im Rahmen der Schwangerschaft geschwächte Muskulatur des Beckenbodens.

Bei Männern kommen zur Behandlung einer Nykturie oft sogenannte Alphablocker zum Einsatz. Diese sollen die Muskelzellen in der Prostata entspannen sowie den Harnstrahl vergrößern. Auf diese Weise wird das Wasserlassen im Allgemeinen erleichtert.

Beeinflussbare und nicht-beeinflussbare Faktoren der Nykturie

Gewissen Auslösern der Nykturie wie einem Tumor oder anderen schweren Krankheiten kann man nicht vorbeugen bzw. besteht die einzige Möglichkeit der Prophylaxe in einem gesunden Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung und viel Bewegung. Auch Infekten beugt man durch einen gesunden Lebensstil vor. Außerdem sollte man stets ausreichend warme Kleidung tragen. Frauen sollten nach einer Schwangerschaft ihre Beckenbodenmuskulatur kräftigen. Bestimmte Medikamente (Diuretika) sollten nicht abends eingenommen werden.

Ab einem bestimmten Alter gehört das nächtliche Wasserlassen sozusagen beinahe schon zum Leben dazu – der Nykturie aufgrund eines fortgeschrittenen Alters kann man nicht vorbeugen.

Aktualisiert am 17. Februar 2021