Neurofibromatose

Der Begriff Neurofibromatose stellt einen Sammelbegriff für diverse Erbkrankheiten dar, welche zu den sogenannten Phakomatosen gezählt werden. Phakomatosen sind Krankheiten, die besonders die Haut und das Nervensystem betreffen. Es werden zwei Hauptformen der Neurofibromatose unterschieden:

  • Die Neurofibromatose Typ I (auch: Morbus Recklinghausen oder NF1)
  • Die Neurofibromatose Typ II (auch: zentrale Neurofibromatose oder NF2)

Beide Formen sind genetisch bedingt. Sie gehen mit gutartigen Tumoren, die das Nervensystem befallen haben, einher. Morbus Recklinghausen kommt etwas häufiger vor als die Neurofibromatose Typ II. Ein typisches Merkmal, das die beiden Arten voneinander unterscheidet, sind die Hauttumore (Neurofibrome) im Rahmen von Morbus Recklinghausen. Diese entwickeln sich überwiegend in der Pubertät. Zudem kommt es zu Pigmentstörungen wie den sogenannten Café-au-lait-Flecken. Bei der zentralen Neurofibromatose fehlen solche Symptome auf der Haut in den meisten Fällen. Aus diesem Grund bleibt diese Form zum Teil lange unentdeckt. Charakteristisch für die Neurofibromatose Typ II sind ein- oder beidseitige Tumore in der Region des Gleichgewichts- und Hörnervs. In diesem Zusammenhang spricht man von Akustikusneurinomen. Aber auch andere Nerven im Rückenmark und im Gehirn können betroffen sein.

Beide Neurofibromatose-Formen werden autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass sie unabhängig von den Geschlechtschromosomen vererbt werden. Die Mutation des Erbguts findet bei den beiden Formen auf unterschiedlichen Genen statt.

Die Symptome sind vielfältig

Die Symptome der Neurofibromatose-Formen weichen zum Teil stark voneinander ab. Darüber hinaus können auch innerhalb einer Form von Fall zu Fall völlig verschiedene Beschwerden auftreten.

Charakteristische Symptome der Neurofibromatose Typ I

Im Rahmen der Recklinghausen-Krankheit kommt es i.d.R. zunächst zu Pigmentflecken namens Café-au-lait-Flecken. Diese weisen eine Milchkaffee-ähnliche Farbe auf und sind oval geformt. Die Flecken treten häufig bereits im ersten Lebensjahr auf. Auch besteht die Möglichkeit, dass sie bereits bei der Geburt vorhanden sind. Es folgen Symptome wie sommersprossenartige Sprenkelungen. Diese treten vor allem in der Leistengegend sowie in den Achselhöhlen auf. Des Weiteren kann die Mundschleimhaut pigmentiert sein.

Im weiteren Verlauf der Krankheit bilden sich gutartige Knötchen und Geschwulste, welche aus Nerven- und Bindegewebszellen bestehen. Diese Knötchen und Geschwulste werden auch als Neurofibrome bezeichnet. Sie entwickeln sich meist ab dem zehnten Lebensjahr und nehmen mit der Pubertät zu. Auch in einer Schwangerschaft können sich die Knötchen deutlich vermehren. Sie befallen den gesamten Körper, können sich aber auch innerhalb des Körpers, entlang der Nerven bilden. Die Knötchen sind i.d.R. nicht schmerzhaft. Sie sind weich und hautfarben bis bräunlich gefärbt. Außerdem können sie, wenn sie im Körper liegen, bläulich durch die Haut schimmern.

Die Neurofibrome können unterschiedlich groß werden: Einige werden nur Millimeter groß, andere können mehrere Zentimeter der Hautfläche einnehmen. Kleine Neurofibrome bilden sich häufig an der Iris, also im Bereich des vorderen Auges. Sind sie hier gelegen, werden sie in der Medizin als Lisch-Knötchen bezeichnet.

Weitere Symptome bei Morbus Recklinghausen

Zu diesen typischen Merkmalen der Neurofibromatose Typ I können weitere Symptome hinzukommen. So kann es im Rahmen von Morbus Recklinghausen beispielsweise zu Veränderungen an den Knochen kommen. Wirbelsäulenverkrümmungen (Skoliose), Falschgelenkbildungen und Verbiegungen an den Knochen der Unterschenkel sind nur einige der möglichen Knochenveränderungen. Außerdem kann Morbus Recklinghausen Tumore am Sehnerv, sogenannte Optikusgliome, gutartige Nervenfaserntumore (Neurinome) und epileptische Anfälle begünstigen. Es kann zu einer Konzentrationsschwäche und zu sogenannten Teilleistungsstörungen kommen.

Symptome der zentralen Neurofibromatose

Wie bereits erwähnt, bleiben die Hautsymptome bei der Neurofibromatose Typ II meistens aus. Eher kommt es zu Nerventumoren im Inneren des Körpers und zwar besonders in der Region der Wirbelsäule und im Bereich des Gehirns. In den meisten Fällen bilden sich Tumore am linken und am rechten Hörnerv. Diese Tumore werden als Akustikusneurinome bezeichnet. Außerdem entstehen häufig andere Tumore des zentralen Nervensystems (z.B. Gliome). Da der Hörnerv für die Übertragung von Signalen des Ohrs und des Gleichgewichtsorgans an das Gehirn zuständig ist, bedingt ein solcher Tumor Symptome, die sich auf das Hörvermögen sowie auf den Gleichgewichtssinn beziehen. Typische Beschwerden sind ein Tinnitus, eine Minderung oder gar ein Verlust des Gehörsinns sowie Gleichgewichtsprobleme. Außerdem kann sich ein Grauer Star entwickeln und es kann zu einer Gesichtslähmung kommen. Die Lähmung der Gesichtsmuskulatur wird als Fazialisparese bezeichnet.

Die Ursache: Eine Mutation eines speziellen Gens

Im Allgemeinen wird von einer Neurofibromatose gesprochen, wenn ein spezielles Gen mutiert ist. Bei Morbus Recklinghausen ist das sogenannte Neurofibromatose-1-Gen auf dem Chromosom 17 von der Mutation betroffen. Demgegenüber beruht die zentrale Neurofibromatose auf einer Mutation des sogenannten Neurofibromatose-2-Gens auf dem Chromosom 22. Wie bereits angedeutet, werden beide Formen autosomal-dominant weitergegeben. Die Erbkrankheit liegt demnach nicht auf einem Geschlechtschromosom, sondern auf einem Autosom. Das bedeutet, dass die Neurofibromatose unabhängig vom Geschlecht vererbt wird. Dominant bedeutet in diesem Zusammenhang wiederum, dass das Kind auch an der Neurofibromatose erkrankt, wenn es sowohl über ein gesundes Gen als auch über ein krankes Gen verfügt. Das kranke Gen ist also dominant gegenüber dem gesunden Gen.

Auch besteht die Möglichkeit, dass die Mutation nicht geerbt wurde, sondern dass sie neu entstanden ist. Dieses Phänomen wird Neumutation genannt. Eine Neumutation kommt bei der Hälfte der Neurofibromatose-Fälle vor.

Die Diagnose einer Neurofibromatose

Die Diagnose besteht zunächst aus einem ausführlichen Anamnesegespräch. In diesem Gespräch werden die Symptome, mögliche Vorerkrankungen sowie vermehrt auftretende Krankheiten innerhalb der Familie thematisiert.

Es folgt eine gründliche körperliche Untersuchung. Bestehen typische Symptome wie die Pigmentflecken, erhärtet sich der Verdacht auf eine Neurofibromatose. Um die Diagnose sicher stellen zu können, sind jedoch weitere Untersuchungen möglich: Neurologische Untersuchungen geben Aufschluss über mögliche Lähmungen und Empfindungsstörungen. Ein Elektroenzephalogramm kann zudem eine Neigung zu Krampfanfällen aufdecken.

Des Weiteren werden die Wirbelsäule und die langen Röhrenknochen auf Tumore hin untersucht. Der Arzt führt diverse Hörtests durch, die Aufschluss über einen möglichen Tumor am Hörnerv geben. Sollte die Diagnose nach diesen Untersuchungen immer noch nicht möglich sein, kann der Arzt den Patienten an einen Augenarzt überweisen. Dieser überprüft das sogenannte Gesichtsfeld und die Sehschärfe. Beim Gesichtsfeld handelt es sich um den Bereich, welcher gesehen werden kann, ohne das Auge zu bewegen. Besteht der Verdacht auf eine Neurofibromatose wird zudem die Iris (Regenbogenhaut) auf die charakteristischen Lisch-Knötchen hin untersucht.

Weiterführende Untersuchungen können eine genetische Untersuchung sowie verschiedene bildgebende Verfahren sein. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, eine Röntgenuntersuchung von eventuell befallenen Knochen durchzuführen. Außerdem können eine Kernspintomographie und eine Computertomographie des Schädels erfolgen.

Die Therapie zielt auf die Linderung der Symptome ab

Aus dem Grund, dass die Ursache für die Neurofibromatose innerhalb der Therapie nicht beseitigt werden kann, zielt die Behandlung auf die Linderung der einzelnen Symptome ab. Störende, schmerzende Knötchen und Geschwulste, wie sie vor allem bei Morbus Recklinghausen vorkommen, können chirurgisch entfernt werden. Solch eine operative Entfernung ist besonders dann notwendig, wenn der Verdacht besteht, dass ein Neurofibrom entartet ist. Die Akustikusneurinome im Rahmen der zentralen Neurofibromatose müssen wiederum neurochirurgisch entfernt werden.

Damit eine optimale Behandlung gewährleistet werden kann, arbeiten bei der Neurofibromatose Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammen (siehe Diagnose). Zudem gibt es mancherorts spezielle Sprechstunden, die auf eine derart vielschichtige Beratung abzielen.

Damit nach der überstandenen Erkrankung keine neuen Tumore auftreten, sollte man mindestens einmal im Jahr eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen. Im Rahmen dieser Untersuchungen begutachtet der Arzt sowohl die Haut als auch die Augen, die Ohren und die inneren Organe – er sucht den gesamten Körper nach Neurofibromen ab.

Verlauf und mögliche Komplikationen

Bei der Neurofibromatose handelt es sich um eine chronische Erkrankung, welche von Fall zu Fall sehr unterschiedlich verlaufen kann. Während einige Erkrankungen völlig harmlos verlaufen, können andere von schweren Komplikationen geprägt sein. Solche Komplikationen können durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen meist frühzeitig erkannt und somit auch behandelt werden. Sollte keine frühzeitige Behandlung erfolgen, kann sich beispielsweise eine Skoliose ausbilden oder es entsteht ein Hirntumor. Außerdem können die unter der Haut gelegenen Neurofibrome starke Schmerzen verursachen und zu neurologischen Störungen führen. Im Rahmen von Morbus Recklinghausen kann es zudem zu epileptischen Anfällen kommen. Die Neurofibromatose Typ I kann außerdem Teilleistungsstörungen bei Kindern bewirken. Hierbei handelt es sich um Lernprobleme, die trotz einer normalen Intelligenz auftreten. Damit sich die betroffenen Kinder dennoch gut entwickeln, müssen sie frühzeitig speziell gefördert werden.

Die Prognose der Neurofibromatose

Der Verlauf der Erkrankung ist sowohl bei der Neurofibromatose Typ I als auch bei der zentralen Neurofibromatose schwer vorherzusagen. Als Faustregel gilt jedoch, dass die Zahl der Knötchen und Geschwulste im Verlauf der Zeit zunimmt. Personen, die an einer Neurofibromatose erkrankt sind, weisen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von bösartigen Tumoren auf. Der Grund ist, dass Neurofibrome entarten können.

Einer Neurofibromatose kann man nicht vorbeugen

Einer Neurofibromatose kann man nicht vorbeugen. Es gilt: Je früher die Diagnose und die Behandlung erfolgen, desto eher können eventuelle Komplikationen vermieden werden. Bei dem Verdacht auf eine Neurofibromatose sollte man deshalb umgehend einen Arzt aufsuchen.

Aktualisiert am 17. Februar 2021