Nesselsucht

Der Namensgeber für die Nesselsucht (Urtikaria) ist die weit verbreitete Brennnessel (Urtica dioica). Schon der kurze Kontakt mit dieser reicht aus, um einen rötlichen und juckenden Hautausschlag zu verursachen. In der Fachsprache wird dieser Ausschlag als Urtikaria bzw. als Nesselsucht bezeichnet. Im engeren Sinn beschreibt der Begriff Nesselsucht eine Reihe an allergisch bedingten Hauterkrankungen, die sich optisch sehr ähnlich sind und an den Kontakt mit einer Brennnessel erinnern. Die Hauterkrankungen können völlig unterschiedliche Auslöser haben.

Im Rahmen der Nesselsucht führen überempfindliche allergische Reaktionen zu tastbaren Erhebungen auf der Haut. Diese werden in der Medizin als Quaddeln bezeichnet. Die einzelnen begrenzten, juckenden und mückenstichähnlichen Quaddeln können sich unterschiedlich weit ausbreiten, sodass sie sich zu großen Herden verbinden. In dem Fall, dass sich die Hautschwellungen auf tiefere Hautschichten ausbreiten, kann sich zusätzlich ein Angioödem bilden. Dieses tritt in Form einer blassen Schwellung an der Hautoberfläche auf.

Die Nesselsucht ist nicht ansteckend – es handelt sich um eine allergische Reaktion. Sie verschwindet in den meisten Fällen innerhalb von drei bis acht Stunden wieder.

Es bestehen verschiedene Formen der Nesselsucht

Es wird zwischen einer akuten, einer chronischen und weiteren Formen der Nesselsucht unterschieden. Dabei ist die akute Urtikaria die deutlich häufigste Form. Sie tritt plötzlich auf und vergeht nach einigen Stunden oder spätestens nach einem Tag wieder. Halten die juckenden Ausschläge auf der Haut länger als sechs Wochen an, spricht man von einer chronischen Nesselsucht.

In knapp der Hälfte aller Fälle können die Ursachen für die Urtikaria nicht bestimmt werden. In diesem Fall spricht man von einer idiopathischen Nesselsucht.

Diese Symptome treten bei allen Nesselsucht-Formen auf

Die folgenden Symptome haben alle Arten der Nesselsucht gemeinsam:

  • Ein rötlicher Ausschlag in Form von sogenannten Quaddeln
  • Ein starker Juckreiz
  • Seltener: ein Brennen der betroffenen Hautstellen
  • Polsterartig geschwollenes Unterhautgewebe (sogenannte Angioödeme)

Meist beginnt die Nesselsucht mit einem Juckreiz. Schon bald entwickelt sich der typische Hautausschlag in Form von Quaddeln, welche sich von den gesunden Hautarealen abheben und unregelmäßig gemustert sind. Diese Quaddeln können sich zu sogenannten Herden zusammenschließen.

Angioödeme

Wie bereits erwähnt, kann sich zusätzlich zu dem nesselartigen Hautausschlag auch ein Angioödem bilden. Hierbei handelt es sich um eine polsterartige, elastische Hautschwellung im Gewebe unter der Haut oder in den Schleimhäuten. Angioödeme entstehen durch die Ansammlung von Wasser und anderen Flüssigkeiten. Sie bilden sich meist im Gesicht, an den Armen und an den Beinen sowie im Genitalbereich. Sind die Schleimhäute betroffen, können die Zunge, der Kehlkopf und die den Kehlkopf umgebende Region anschwellen. Die Schwellungen in Form eines Angioödems bestehen i.d.R. länger als die Quaddeln.

Ein medizinischer Notfall: der anaphylaktische Schock

Ist eine Allergie für die (akute) Nesselsucht verantwortlich, kann es in einigen Fällen zu einem anaphylaktischen (allergischen) Schock kommen. Ein solcher Schock gilt als medizinischer Notfall – besteht der Verdacht auf einen anaphylaktischen Schock, muss umgehend ein Arzt verständigt werden! Hinweise auf einen solchen Schock geben die folgenden Symptome:

  • Unwohlsein, Durchfall und Erbrechen
  • Herzrasen
  • Angstzustände
  • Eine Atemnot, die durch eine Verkrampfung der Bronchialmuskulatur entsteht
  • Ein Abfall des Blutdrucks
  • Kreislaufprobleme, die bis zur Bewusstlosigkeit führen können

Ursachen

Auslöser der akuten Nesselsucht

Laut Statistiken erkranken knapp 25 Prozent der Menschen mindestens einmal in ihrem Leben an einer akuten Nesselsucht. Die Ursache liegt in einer allergischen Reaktion. Ein direkter Auslöser der akuten Urtikaria wird jedoch selten gefunden. Es scheint aber ein Zusammenhang zwischen der Nesselsucht und Infektionen des Verdauungstrakts sowie der Atemwege zu bestehen: Auffallend viele Patienten mit einer akuten Urtikaria leiden an einer dieser beiden Infektionsarten. Darüber hinaus ist bekannt, dass manche Röntgenkontrastmittel, Acetylsalicylsäure und spezielle Antibiotika bei einigen Menschen eine allergisch bedingte akute Nesselsucht auslösen können.

Auslöser einer chronischen Urtikaria

Die Bandbreite der möglichen Ursachen für eine chronische Urtikaria ist größer als die für die akute Form. Es besteht die Möglichkeit, dass mehrere Faktoren gleichzeitig die Nesselsucht auslösen. Auch die chronische Urtikaria kann durch allergische Reaktionen bedingt sein. Die wichtigsten Ursachen sind Infektionen, Autoimmunerkrankungen, psychoneurologische Faktoren und sogenannte Pseudoallergien.

In Bezug auf die Infektionen lässt sich sagen, dass auffällig viele Patienten mit einer chronischen Urtikaria mit Helicobacter pylori-Bakterien infiziert sind. Außerdem können chronische Infektionen wie Kieferabszesse oder Mandelentzündungen die Auslöser für eine chronische Nesselsucht sein.

Eine Nesselsucht ist durch eine Autoimmunerkrankung bedingt, wenn im Blut vermehrt körpereigene Abwehrzellen, die gegen die Schilddrüsenhormone gerichtet sind, festgestellt werden können.

Die Annahme, dass psychoneurologische Faktoren eine Rolle spielen, fußt darauf, dass die sogenannten Mastzellen der Immunabwehr in der unmittelbaren Nähe von Nervenfasern liegen.

Sogenannte Pseudoallergien, die eine chronische Nesselsucht ebenfalls bedingen können, entstehen durch bestimmte Stoffe. Diese lösen dieselben Beschwerden wie bei einer Allergie aus.

Ursachen für eine physikalische Nesselsucht

Eine weitere Form der Nesselsucht ist die physikalische Urtikaria. In diesem Fall wird die Hautreaktion durch physikalische Reize wie Wärme, Kälte oder Druck ausgelöst. Durch den Hautkontakt kommt es zum typischen juckenden Ausschlag. Dieser tritt nicht zwangsläufig an der Stelle des Kontakts auf. Je nach Ursache, wird die physikalische Urtikaria in weitere Unterformen gegliedert.

Wärmeurtikaria

Durch die direkte Einwirkung von Wärme bilden sich die typischen Hautrötungen und Quaddeln. Beispiele für solche Wärmereize sind Speisen und Bäder.

Kälteurtikaria

Diese Form tritt meistens im mittleren Lebensalter auf. Besonders im Winter reagieren unbedeckte Körperstellen auf Kälte mit Rötungen und juckenden Hautausschlägen. Diese Form der Nesselsucht entwickelt sich entweder bei der direkten Einwirkung der Kälte oder, wenn man anschließend einen warmen Raum betritt.

Schwitzurtikaria

Die Schwitzurtikaria betrifft vor allem junge Erwachsene. Sie wird durch Schwitzen, Fieber und Alkohol sowie durch scharfe Speisen ausgelöst. Es kommt zu den typischen juckenden Hautausschlägen (vor allem am Oberkörper).

Druckurtikaria

Nach einem Stoß oder nach einem Druck auf eine bestimmte Hautstelle kommt es zeitlich versetzt zu einer Schwellung, die schmerzhaft sein kann.

Kontakturtikaria

Der Kontakt mit bestimmten allergieauslösenden Stoffen sowie mit Insekten und Pflanzen löst an der Stelle des Kontakts die typischen Quaddeln aus. Ein gut geeignetes Beispiel für diese Form von Nesselsucht ist der Kontakt mit der Brennnessel.

Aquagene Urtikaria

Diese Form der Nesselsucht entsteht, wenn der oder die Betroffene mit Wasser in Kontakt kommt und zwar unabhängig von der Temperatur des Wassers. Diese Form ist sehr selten und stellt eine große Belastung für die Patienten dar.

Lichturtikaria

Auch UV-Licht und andere Lichtarten können die Ursache für eine Nesselsucht sein. Diese Form ist ebenfalls sehr belastend für Patienten.

Es bestehen weitere Formen wie die Röntgenstrahlurtikaria, die vibratorische Urtikaria oder die dermographische Urtikaria.

Ursachen für eine Nesselsucht bei Kindern

Die Nesselsucht kann vor allem bei Kindern schwere Ausmaße annehmen, sodass sich die Quaddeln zu Blasen ausbilden. Mögliche Stoffe, die eine Urtikaria bei Kindern auslösen können, sind Hühnereier, Kuhmilch und Weizenmehl.

Die Diagnose

Um eine Diagnose stellen zu können, wird der Arzt zunächst ein Anamnesegespräch mit dem Patienten führen. Im Rahmen dieses Gesprächs fragt der Arzt den Patienten u.a. nach den Symptomen sowie danach, ob zu einem früheren Zeitpunkt bereits einmal Quaddeln aufgetreten sind. Im nächsten Schritt nimmt der Arzt die Haut des Patienten „unter die Lupe“. Die akute Urtikaria lässt sich bereits mit dem bloßen Auge erkennen, sodass keine weiteren Untersuchungen notwendig sind.

Sollte die akute Nesselsucht nicht diagnostizierbar sein, werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Hierzu zählt die Anfertigung eines Blutbilds und das Blut wird auf Entzündungswerte hin untersucht. Außerdem werden die Schilddrüsenhormone und die Leberenzyme kontrolliert. Der Arzt achtet auf Antikörper, welche gegen bestimmte Bakterien oder gegen Hepatitis-Viren gerichtet sind.

Ergänzend wird der Magen auf eine Infektion mit Helicobacter pylori-Bakterien hin untersucht. Dies wird beispielsweise durch eine Analyse des Stuhls ermöglicht. Die Analyse dient auch der Feststellung, ob sich im Stuhl krankmachende Bakterien wie Salmonellen oder Würmer und Parasiten befinden.

Der autologe Serumtest

Wurde beim Patienten eine chronische Urtikaria festgestellt ohne, dass ein Infekt nachgewiesen werden kann, besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine autoreaktive Nesselsucht handelt. Um abzuklären, ob das der Fall ist, wird ein sogenannter autologer Serumtest durchgeführt: Dem Patienten wird etwas Blut abgenommen. Dieses wird anschließend zentrifugiert. Das hierbei gewonnene Serum wird in die Haut injiziert. Bilden sich an der Stelle der Injektion Quaddeln, ist das ein Zeichen dafür, dass das Blut des Patienten mastzellaktivierende Stoffe (Antikörper) enthält.

Die Behandlung ist von der Ursache für die Nesselsucht abhängig

Die Therapie der Nesselsucht richtet sich vor allem nach der zugrundliegenden Ursache. Ist der Auslöser bekannt, besteht ein erster Schritt der Behandlung darin, diesen zu meiden. Um den Juckreiz einzudämmen, werden zudem entzündungshemmende Medikamente verschrieben. Auch der Wirkstoff namens Ciclosporin ist in dieser Hinsicht hilfreich: Ciclosporin wirkt regulierend auf das körpereigene Abwehrsystem und verringert die Ausschüttung von Histamin – ein Entzündungsstoff, der maßgeblich an der Entstehung der Urtikaria beteiligt ist. Bei den einzelnen Formen der Nesselsucht können weitere Maßnahmen sinnvoll sein. So wird beispielsweise für die durch Licht bedingte Nesselsucht neben der medikamentösen Behandlung eine Lichttherapie empfohlen.

Es bestehen kaum Möglichkeiten, einer Nesselsucht vorzubeugen

Da die Nesselsucht häufig durch Medikamente und Nahrungsmittel ausgelöst wird, stellt die Vermeidung dieser Auslöser eine Möglichkeit der Vorbeugung dar. Hierzu müssen die Auslöser allerdings erst einmal bekannt sein. Da keine weiteren Maßnahmen der Prophylaxe bekannt sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person in ihrem Leben mindestens einmal an der Nesselsucht erkrankt, recht hoch – sie liegt bei 20 Prozent.

Aktualisiert am 17. Februar 2021