Acetylsalicylsäure

Acetylsalicylsäure (ASS) ist der Trivialname für 2-Acetoxybenzoesäure und wird wie Diclofenac und Ibuprofen zu den sogenannten „sauren“ Schmerzmitteln gerechnet. Im Fachjargon spricht man von nicht-opioiden Schmerzmitteln oder nicht-opioiden Analgetika. Außerdem wird Acetylsalicylsäure den non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID) bzw. den nicht-steroidalen antientzündlichen Medikamenten zugerechnet. In der Vergangenheit ist der Begriff nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) üblich gewesen. Die sauren Wirkstoffe Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Naproxan und Diclofenac reichern sich in entzündetem Gewebe an, das natürlicherweise einen niedrigen pH-Wert aufweist. Acetylsalicylsäure dient daher nicht nur als reines Schmerzmittel, sondern hat zudem entzündungshemmende Eigenschaften. Das bekannteste Medikament mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure ist wohl Aspirin® von Bayer.

Wirkungsweise von Acetylsalicylsäure

Acetylsalicylsäure kann vielseitig eingesetzt werden, dient jedoch in erster Linie zur Behandlung von leichten Schmerzen. Daneben hat der Wirkstoff blutverdünnende Eigenschaften, indem er die Thrombozytenaggregation behindert. Daher wird Acetylsalicylsäure auch zur Vorbeugung von Durchblutungsstörungen eingesetzt. Außerdem kann ASS das Thrombosenrisiko verringern und wird vor allem vor langen Flugreisen eingesetzt, um die sogenannte Reisethrombose zu verhindern. Daneben kann Acetylsalicylsäure fiebersenkend wirken. Diese Eigenschaft nutzt man etwa bei der Behandlung von Grippe und grippalen Infekten. Bei rheumatischen Beschwerden wird ASS eher selten angewendet. Wie alle nicht-opioiden Schmerzmittel wirkt auch ASS nicht suchtauslösend und wird daher häufig eingesetzt. Acetylsalicylsäure gehört zu den sogenannten COX-Hemmern, indem es die Cyclooxygenase behindert. Bereits geringe Dosen (30–50 mg) wirken gerinnungshemmend. Mit steigender Dosis entfaltet der Wirkstoff seine anderen Eigenschaften und wirkt ab einer Dosis von 0,5 bis zwei Gramm schmerzlindernd, antirheumatisch und fiebersenkend, indem es die Bildung von Prostaglandinen hemmt. Ab Dosen von zwei Gramm wirkt Acetylsalicylsäure entzündungshemmend.

Ursprünge von Acetylsalicylsäure – Rechtsstreit Aspirin®

Über die Urheberschaft von Aspirin® wird bis heute diskutiert. Sowohl der Chemiker Arthur Eichengrün, als auch Felix Hoffmann kommen als Entwickler von Aspirin® Ende des 19. Jahrhunderts infrage. Nach eigenen Aussagen sieht sich Eichengrün als Erfinder des Medikaments, der Hoffmann lediglich angeleitet habe. Das damals als I.G. Farben bekannte Unternehmen, aus dem später die Bayer AG hervorgegangen ist, streitet diese Behauptung jedoch ab. Möglich ist, dass dem jüdischen Eichengrün die Erfindung im Zuge der „Arisierung“ von den Nationalsozialisten aberkannt wurde. Da keine fachkompetenten Zeitzeugen mehr am Leben sind, wird die Frage wohl unbeantwortet bleiben.

Anwendungsgebiete von Acetylsalicylsäure

Acetylsalicylsäure wurde zunächst ausschließlich als Schmerzmittel vermarktet. ASS kann jedoch auch bei anderen Beschwerden wie Rheuma oder Fieber, sowie zur Thrombosenprävention eingesetzt werden. Folgende Anwendungsgebiete gibt es für Acetylsalicylsäure:

  • Schmerzen allgemein (leicht bis mäßig stark)
  • Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Zahnschmerzen
  • Regelschmerzen
  • Fieber
  • entzündlich-rheumatische Krankheiten
  • Arthrose
  • Schlaganfall (Prävention)
  • Herzinfarkt (Prävention)
  • Angina pectoris (Prävention)

Darreichungsformen

Als Monopräparat wird Acetylsalicylsäure unter anderem in der Darreichungsform von Tabletten, Film-, Schmelz- und Trinktabletten, sowie als Pulver, Granulat, Kaudragées, Brausetabletten, Kapseln und Injektionslösungen angeboten. Neben dem Handelsnamen Aspirin® sind unter anderem folgende Medikamente mit dem Wirkstoff bekannt:

  • Togal-ASS
  • ASS-ratiopharm
  • Herz-ASS
  • Acesal

Darüber hinaus sind in der Apotheke Kombinationspräparate mit Zusätzen wie Vitamin C, Paracetamol oder Coffein erhältlich. Aspirin® und andere Medikamente mit dem Wirkstoff ASS können rezeptfrei in der Apotheke erworben werden.

Nebenwirkungen

Da Prostaglandine nicht nur an der Schmerzreaktion, sondern auch an der Regulierung der Magensäuresekretion und der Magenschleimhautdurchblutung beteiligt sind, kann es durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese bei höheren Dosen und längerfristiger Einnahme von Acetylsalicylsäure zu diversen Verdauungsbeschwerden, bis hin zu Magenblutungen kommen. Beschwerden wie Reizungen und Sodbrennen, mitunter auch mit Blutungen der Magen- oder Darmschleimhaut können auch bei empfindlichen Menschen auftreten. Das Risiko der Fehldosierung besteht, da Aspirin® und andere den Wirkstoff enthaltene Medikamente frei verkäuflich sind. Kommt es anhaltend zu Blutungen, ist eine Eisenmangelanämie nicht ausgeschlossen. Die regelmäßige Einnahme von ASS-Präparaten sollte daher mit dem behandelnden Arzt oder einem Apotheker abgesprochen werden.

Weitere mögliche Nebenwirkungen inkludieren:

  • Schwindel
  • Übelkeit
  • Sehstörungen
  • Hörstörungen wie Ohrensausen

Mit dem Absetzen des Medikaments klingen in der Regel auch die Nebenwirkungen ab. Daneben sind allergische Reaktionen mit Hautausschlägen und Atemwegsbeschwerden beobachtet worden. Vor allem Betroffene von Heuschnupfen und anderen Allergien kann das sogenannte „Aspirin-Asthma“ treffen, das zu asthma-ähnlichen Atemwegsverkrampfungen führt.

Wechselwirkung mit anderen Medikamenten

Da bereits Acetylsalicylsäure selbst als Blutgerinnungshemmer wirkt, sollte das Medikament nicht zusammen mit anderen Antikoagulanzien eingenommen werden, um das Blutungsrisiko nicht zu erhöhen. Das gilt vor allem für Clopidogrel und Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin.

Jegliche nicht-steroidalen Antirheumatika werden in ihrer Wirkung verstärkt, wodurch es auch zu vermehrten Nebenwirkungen kommen kann. Das Gleiche gilt für Valproinsäure, einem Medikament zur Behandlung von Epilepsie. Bei gleichzeitiger Einnahme von Glukokortikoiden wie Kortison, sowie bei gleichzeitigem Alkoholkonsum kann es vermehrt zu Magen-Darm-Blutungen kommen. Vorsicht ist ebenfalls bei der Einnahme von Sulfonylharnstoffen und Acetylsalicylsäure geboten. Diese Medikamente zur Behandlung von Diabetes mellitus werden in ihrer Wirkung verstärkt, wodurch es zu Unterzuckerungen kommen kann. Wechselwirkungen bestehen außerdem mit Methotrexat, das bei der Chemotherapie und mitunter auch zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen genutzt wird. Die Wirkung und Nebenwirkungen von Schilddrüsenhormonen werden bei der Einnahme von ASS verstärkt. Acetylsalicylsäure erhöht außerdem die Gefahr von Vergiftungen, wenn Barbiturate (Schlafmittel), Digoxin (bei Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen) oder Lithium (bei Depressionen) gleichzeitig eingenommen werden.

Folgende Medikamente erfahren eine verminderte Wirkung bei der gleichzeitigen Einnahme von Acetylsalicylsäure:

  • Entwässerungsmittel (Schleifendiuretika, Spironolacton, Canrenoat)
  • blutdrucksenkende Mittel
  • Mittel zur Behandlung von Gicht

Magenschutzpräparate (Antazida) führen zu einer vermehrten Ausscheidung von ASS und können daher die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure beeinträchtigen.

Acetylsalicylsäure sollte nur in Ausnahmefällen mit anderen Schmerzmitteln kombiniert werden. Wird ASS zur Blutverdünnung eingenommen, sollte unbedingt auf die gleichzeitige Einnahme von Ibuprofen verzichtet werden, da dieses Medikament die blutverdünnende Wirkung aufhebt. Alternativ kann Diclofenac angewendet werden.

Gegenanzeichen

Bei einigen bestehenden Vorerkrankungen, sowie während der Schwangerschaft und bei Kindern ist besondere Vorsicht geboten, wenn Schmerzen oder andere Beschwerden mit Acetylsalicylsäure behandelt werden.

Acetylsalicylsäure in der Schwangerschaft und Stillzeit

In den ersten beiden Trimestern der Schwangerschaft sollte Acetylsalicylsäure nur in Absprache mit einem Arzt eingenommen werden. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass hohe Dosen während des ersten Drittels der Schwangerschaft zu Fehlbildungen des ungeborenen Kindes führen können. Keinesfalls darf ASS im letzten Trimester der Schwangerschaft angewendet werden, da durch die erhöhte Blutungsneigung die Wehen verzögert werden können. Um schwerwiegende Folgen für Mutter und Kind zu vermeiden, sollte in Rücksprache mit dem Arzt gegebenenfalls auf ein anderes Präparat zugegriffen werden.

Nimmt die Mutter Acetylsalicylsäure zu sich, wird der Wirkstoff über die Muttermilch auch an den Säugling weitergegeben. Dieser kann aufgrund der noch nicht voll ausgebildeten Leber den Wirkstoff nicht richtig entgiften. Von der Einnahme von Acetylsalicylsäure ist während der Stillzeit abzusehen.

Acetylsalicylsäure bei Asthma und anderen Erkrankungen der Atemwege

Cyclooxygenase-Hemmer (COX-Hemmer) führen zu einer vermehrten Produktion von Leukotrienen, welche unter anderem als Bronchokonstriktor wirken. Ihnen kommt eine besondere Rolle bei allergischen Reaktionen, sowie beim Asthma bronchiale zu. Die Einnahme von Acetylsalicylsäure kann daher asthma-ähnliche Reaktionen hervorrufen, vor allem bei vorbelasteten Patienten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom sogenannten „Aspirin-Asthma“.

Acetylsalicylsäure bei Nierenerkrankungen

Die verminderte Produktion von Prostaglandinen kann auch zu Verengungen der Nierengefäße beitragen. Bestehende Nierenerkrankungen können so verschlimmert werden. In Ausnahmefällen kommt es zur Dialysepflichtigkeit. Die Einnahme sollte nur kurzfristig, in geringen Dosen und nach Rücksprache mit einem Arzt erfolgen.

Acetylsalicylsäure bei Lebererkrankungen

Der Abbau von ASS findet großteils über die Leber und Nieren statt. Aufgrund der Mehrbelastung für diese Organe ist von gleichzeitigem Alkoholkonsum bei der Einnahme von Acetylsalicylsäure unbedingt abzusehen. Bestehende Leberschäden können verstärkt werden. Die Einnahme sollte nur nach Rücksprache mit einem Arzt stattfinden.

Vorsicht: Acetylsalicylsäure bei Kindern

Die Behandlung mit Acetylsalicylsäure bei Kindern unter 14 Jahren darf nur nach Rücksprache mit einem Arzt erfolgen. Um fieberhafte Erkrankungen bei Kindern zu behandeln, darf ASS nur in Ausnahmefällen angewendet werden, nämlich dann, wenn andere Maßnahmen zur Fiebersenkung ohne Erfolg gewesen sind. Symptome wie Erbrechen sind ernstzunehmen. Das Medikament muss umgehend abgesetzt werden, zudem muss umgehend ein Arzt verständigt werden. Denn vor allem im Zusammenhang mit viralen Infekten kann ASS das lebensbedrohliche Reye-Syndrom hervorrufen, bei dem es zu schweren Schäden an Gehirn und Leber kommt. Diese Erkrankung ist bisher nicht heilbar.

Aktualisiert am 12. Februar 2021