Schilddrüsenkrebs

In Deutschland sind Schilddrüsen-Erkrankungen längst keine Seltenheit mehr. Etwa jeder vierte Bürger in Deutschland weist gutartige Knoten in der Schilddrüse auf. Entgegen anderer Erkrankungen der Schilddrüse ist Schilddrüsenkrebs eher selten: Jedes Jahr erkrankt etwa eine von 30.000 Personen an einem Schilddrüsenkarzinom, wie der Schilddrüsenkrebs auch genannt wird. Vor allem Frauen sind betroffen. Die Symptome sind zunächst unscheinbar, sodass die Erkrankung häufig im Rahmen anderer Untersuchungen bzw. zufällig entdeckt wird.

In der Schilddrüse gibt es eine Vielzahl an Zellen, die unterschiedliche Aufgaben haben. Je nachdem, aus welcher dieser Zellarten der Tumor hervorgeht, wird der Schilddrüsenkrebs in verschiedene Arten unterteilt. Die vier häufigsten Arten sind:

  • In etwa 60 Prozent aller Schilddrüsenkrebs-Fälle handelt es sich um ein papilläres Schilddrüsenkarzinom.
  • In etwa 30 Prozent der Fälle von Schilddrüsenkrebs handelt es sich um ein sogenanntes follikuläres Schilddrüsenkarzinom.
  • Das medulläre Schilddrüsenkarzinom macht etwa fünf Prozent aller Fälle von Schilddrüsenkrebs aus. Es wird auch als MTC oder als C-Zell-Karzinom bezeichnet.
  • Das undifferenzierte bzw. anaplastische Schilddrüsenkarzinom macht etwa ein Prozent aller Krankheitsfälle aus.

Das papilläre Schilddrüsenkarzinom

Frauen sind wesentlich häufiger vom papillären Schilddrüsenkarzinom betroffen als männliche Erwachsene. Bei dieser Form breiten sich die Krebszellen bevorzugt über das Lymphsystem aus. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer lymphogenen Metastasierung. In vielen Fällen sind auch die Lymphknoten am Hals von dem Tumor bzw. von dessen Tochtergeschwülsten betroffen. Bei rechtzeitiger Behandlung stehen die Chancen auf eine vollständige Heilung gut: Das papilläre Karzinom wird in 80 Prozent der Fälle geheilt.

Das follikuläre Schilddrüsenkarzinom

Auch das follikuläre Karzinom betrifft vornehmlich Frauen. Die Ausbreitung der Krebszellen läuft über das Blut ab. In diesem Zusammenhang wird von einer hämatogenen Metastasierung gesprochen. Dieser Ausbreitungsweg ist der Grund dafür, dass die Krebszellen sich auch häufig in der Lunge oder im Gehirn ausbreiten. Die Heilungsaussichten beim follikulären Schilddrüsenkarzinom sind etwas geringer als beim papillären Karzinom. Sie können aber immer noch als gut erachtet werden: Die Zehn-Jahres-Überlebensrate beträgt nach einer rechtzeitigen Behandlung zwischen 60 und 70 Prozent.

Medulläres Schilddrüsenkarzinom

Anders als die beiden zuvor genannten Arten geht das medulläre Karzinom nicht aus den Thyreozyten, den eigentlichen Schilddrüsenzellen, sondern aus den sogenannten C-Zellen hervor. Deshalb wird diese Form auch als C-Zell-Karzinom bezeichnet. Die C-Zellen sind für die Produktion des Calcitonin-Hormons zuständig. Dieses ist von hoher Bedeutung für die Regulation des Calcium- und des Phosphathaushalts. Im Rahmen eines medullären Schilddrüsenkarzinoms kommt es zu einer Überproduktion des Calcitonins. Hierdurch sinkt der Calcium-Wert im Blut stark ab. Die Folge können Gefühlsstörungen sein. Männer und Frauen sind gleichhäufig von dieser Tumorart betroffen. Die Aussichten auf eine vollständige Heilung liegen zwischen 50 und 70 Prozent.

Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom

Bei dieser Art von Schilddrüsenkrebs handelt es sich um die deutlich seltenste Form. Sie weist maßgebliche Unterschiede zu den anderen Formen auf. So wächst das anaplastische Karzinom nicht nur schneller, sondern auch aggressiver und es gilt als kaum heilbar. Männer und Frauen sind gleichhäufig betroffen. Nach der Diagnose „anaplastisches Schilddrüsenkarzinom“ leben die Betroffenen im Schnitt nur noch ein halbes Jahr lang.

Allgemeine und von der Form der Erkrankung abhängige Symptome

Allgemeine Symptome von Schilddrüsenkrebs

Zu den allgemeinen Symptomen von Schilddrüsenkrebs zählen eine anhaltende Heiserkeit und das sogenannte Horner-Syndrom. Die anhaltende Heiserkeit wird durch eine teilweise oder vollständige Stimmlippen-Lähmung bedingt und zwar dann, wenn der Tumor bestimmte Nervenbahnen des Kehlkopfes schädigt. Auch das Horner-Syndrom entsteht aufgrund von Nervenbahn-Schädigungen: Die Pupille eines Auges ist verengt (Miosis), das Oberlid hängt herab (Ptosis) und der Augapfel der betroffenen Seite ist eingesunken (Enopthalmus). Des Weiteren können ein Druckgefühl im Hals und Schluckbeschwerden entstehen. Hierzu kommt es, wenn die Wucherung, also der Tumor, die Speiseröhre einengt und auf diese drückt. Engt der Tumor die Luftröhre ein, können zudem Atembeschwerden entstehen.

Formabhängige Schilddrüsenkrebs-Symptome

Neben den allgemeinen Symptomen von Schilddrüsenkrebs weist jede Form der Erkrankung weitere, spezifische Symptome auf. Im Rahmen des papillären Schilddrüsenkarzinoms schwellen beispielsweise die Lymphknoten am Hals an. Beim medullären Karzinom kann es aufgrund des starken Abfalls des Kalziumspiegels zu Gefühlsstörungen wie einem Kribbeln in den Händen kommen. Außerdem gehen mit dem niedrigen Kalziumspiegel Muskelkrämpfe einher und es kann zu Durchfall kommen, welcher sich auch nicht mit Medikamenten in den Griff bekommen lässt. Wiederum kommt es beim anaplastischen Karzinom zu einem sehr aggressiven Wachstumsverhalten des Tumors, sodass die Symptome wie asymmetrische Schwellungen am Hals, Heiserkeit und Schluckbeschwerden nach verhältnismäßig kurzer Zeit auftreten. Es sei drauf hingewiesen, dass all die erläuterten Merkmale auch auf andere und vor allem deutlich harmlosere Erkrankungen hinweisen können.

Die genauen Ursachen sind noch immer unbekannt

Bis heute sind die genauen Ursachen für die Entstehung von Schilddrüsenkrebs nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch einige Erklärungsversuche für die verschiedenen Arten von Schilddrüsenkrebs.

Ursachen für das papilläre und das follikuläre Schilddrüsenkarzinom

Es wird angenommen, dass das papilläre und das follikuläre Schilddrüsenkarzinom durch ionisierende Strahlung ausgelöst werden. Hinweise auf diesen Zusammenhang liefern Vorfälle wie der Atomreaktorunfall in Tschernobyl: Nach dem Vorfall erkrankten knapp 1.500 Kinder in der Ukraine, in Russland und Weißrussland an Schilddrüsenkrebs. Einen weiteren Hinweis auf den Einfluss von ionisierenden Strahlen auf die Entstehung von diesen beiden Schilddrüsenkrebs-Arten geben die Bombenangriffe auf Nagasaki und Hiroshima im Zweiten Weltkrieg: Die Überlebenden entwickelten signifikant häufiger ein papilläres oder ein follikuläres Schilddrüsenkarzinom als Vergleichsgruppen. Somit kann gesagt werden, dass auch im Rahmen von Strahlentherapien ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Schilddrüsenkrebs besteht.

Ursachen für das medulläre Schilddrüsenkarzinom

In etwa 25 Prozent der Fälle eines medullären Schilddrüsenkarzinoms liegt die Ursache in einem Gendefekt. Verschiedene Mutationen (Genveränderungen) in einem bestimmten Gen auf dem Chromosom 11 führen entweder zu einem alleinigen medullären Karzinom oder zu einer Kombination des Karzinoms mit anderen Erkrankungen. Tritt der Schilddrüsenkrebs im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf, ist die Rede von einer multiplen endokrinen Neoplasie. Bei Menschen mit der zugrundliegenden Genmutation wird die Schilddrüse häufig bereits im Kindesalter entfernt. Der Grund ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen einmal an Schilddrüsenkrebs leiden werden, über 90 Prozent beträgt. Der Eingriff, im Rahmen dessen die Schilddrüse im Kindesalter entfernt wird, wird als prophylaktische Thyreoidektomie bezeichnet.

Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom: Ursachen

Bei dieser Form von Schilddrüsenkrebs liegt die Tücke nicht nur darin, dass sie sehr schnell und aggressiv verläuft, sondern auch darin, dass die Ursachen und die Risikofaktoren für die Entstehung noch vollkommen unbekannt sind. Demnach sind keinerlei vorbeugende Maßnahmen gegen ein anaplastisches Schilddrüsenkarzinom bekannt.

Die Diagnose von Schilddrüsenkrebs

Wenn der Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom besteht, wird der Arzt zunächst ein Anamnesegespräch mit dem Patienten führen. Er fragt diesen nach den Symptomen, nach seiner Krankheitsgeschichte und nach weiteren Aspekten wie der familiären Vorbelastung. Anschließend wird eine körperliche Untersuchung durchgeführt. Im Rahmen dieser tastet der Arzt zunächst den Hals, die Lymphknoten und die Schilddrüse des Patienten ab.

Im nächsten Schritt wird eine Blutprobe entnommen. Das Blut wird auf bestimmte Marker wie Calzitonin und das sogenannte Thyroidea stimulierende Hormon (TSH) untersucht. Anhand des Calzitonin-Spiegels lässt sich beinahe sicher ein medulläres Schilddrüsenkarzinom diagnostizieren.

Eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung) gibt Aufschluss über die Größe der Schilddrüse. Durch dieses Verfahren lassen sich auch strukturelle Veränderungen an der Drüse begutachten. Mögliche Veränderungen sind u.a. Zysten und Knoten. Darüber hinaus werden mit dem Ultraschallgerät die Lymphknoten am Hals untersucht.

Weitere Untersuchungsmaßnahmen

Im Rahmen der Szintigraphie verabreicht der Arzt dem Patienten eine Jodverbindung, die radioaktiv markiert ist. Diese Jodverbindung wird von der Schilddrüse aufgenommen und gespeichert. Das radioaktive Jod reichert sich im funktionsreichen Gewebe der Schilddrüse an. So können funktionslose als auch nicht vollständig aktive Bereiche in der Schilddrüse erkannt werden. Die funktionslosen Gewebebereiche werden als „kalte Knoten“ bezeichnet. Sie können einen wichtigen Hinweis auf einen bösartigen Schilddrüsen-Tumor geben. Darüber hinaus lassen sich durch die Szintigraphie überaktive Gebiete, sprich „heiße Knoten“, sichtbar machen. Diese sind nur in den allerwenigsten Fällen bösartig.

Um die Diagnose „Schilddrüsenkarzinom“ zu sichern, führt der Arzt eine Feinnadelpunktion durch. Hierbei entnimmt er mit einer feinen Nadel Zellen aus dem veränderten Gewebebereich der Schilddrüse. Anschließend wird die Probe unter dem Mikroskop untersucht. Im Rahmen dieses Verfahrens können entartete Zellen sicher erkannt werden.

Sofern sich der Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom bestätigt hat, folgen weitere diagnostische Schritte, die die Ausbreitung des Karzinoms bestimmen sollen. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Ausbreitungsdiagnostik gesprochen. Untersuchungen, die Metastasen aufdecken sollen, sind eine Ultraschalluntersuchung der Hals-Lymphknoten, eine Kegelkopfspiegelung und eine Röntgenuntersuchung des Brustbereichs. Nur in bestimmten Fällen werden weitere Verfahren wie die Magnetresonanztomographie und/ oder eine Computertomographie durchgeführt.

Die Einteilung der Erkrankung in verschiedene Stadien

Wurde Schilddrüsenkrebs diagnostiziert, teilt der Mediziner die Krankheit in eines der Stadien nach der internationalen TNM-Klassifikation ein. Dabei steht der Buchstabe T für Tumor, N steht für benachbarte Lymphknotenmetastasen und der Buchstabe M für Fernmetastasen, also Tochtergeschwülste in anderen Organen.

  • T1: Der Tumor ist auf die Schilddrüse begrenzt und hat einen maximalen Umfang von zwei Zentimetern.
  • T2: Der Tumor ist auf die Schilddrüse begrenzt und ist zwischen zwei und vier Zentimeter groß.
  • T3: Der Tumor hat sich minimal ausgebreitet. Er ist größer als vier Zentimeter.
  • T4: Der Tumor hat sich in der Umgebung der Schilddrüse ausgebreitet. Er ist in die umliegenden Organe und das umliegende Gewebe eingewachsen.
  • N0: Es bestehen keine regionären Lymphknoten-Metastasen.
  • N1: Es bestehen Lymphknotenmetastasen, d.h. der Tumor hat sich in die regionalen Lymphknoten abgesiedelt.
  • N1a: Die Metastasen befinden sich an den Lymphknoten in der Halsmitte.
  • N1b: Die Lymphknotenmetastasen befinden sich nicht mehr nur im Halsbereich, sondern können sich auch in den oberen Brustbereich ausgebreitet haben.
  • M1: Der Schilddrüsenkrebs hat Fernmetastasen gebildet, d.h. weitere Körperbereiche sind befallen.

Auf eine operative Entfernung kann meist nicht verzichtet werden

Nur in seltenen Fällen wird ein Schilddrüsenkarzinom frühzeitig entdeckt, sodass die Schilddrüse erhalten werden kann. Meistens erfordert der Schilddrüsenkrebs jedoch die Entfernung der gesamten Schilddrüse und eventuell der Hals-Lymphknoten. Wurde das Organ entfernt, müssen die Patienten ein Leben lang das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin einnehmen.

Besteht ein papilläres oder ein follikuläres Schilddrüsenkarzinom, wird die Operation durch eine Radiojodtherapie ergänzt. Hierbei handelt es sich sozusagen um eine innere Bestrahlung. Durch die Verabreichung von radioaktivem Jod werden Krebszellen, die nicht durch die OP entfernt werden konnten, sowie Reste des Schilddrüsengewebes beseitigt. In einigen Fällen wird zusätzlich eine äußere Strahlentherapie eingesetzt. Diese kommt aber meist bei der Behandlung eines anaplastischen Karzinoms zum Einsatz. Dieses ist nämlich resistent gegenüber der Radiojodtherapie. Der Grund: Die stark entarteten Tumorzellen sind nicht mehr dazu in der Lage, das radioaktive Jod aufzunehmen.

Bei einem medullären Schilddrüsenkarzinom kann die Heilung lediglich durch eine Operation erfolgen. Eine Radiojodtherapie ist auch hier nicht wirkungsvoll, da die C-Zellen keinen Jodstoffwechsel haben. Neben der Operation kommt teilweise auch eine Strahlentherapie zum Einsatz.

Wer vorbeugen möchte, muss Jod zu sich nehmen

Man kann Schilddrüsenkrebs nicht sicher vorbeugen. Es bestehen jedoch einige Risikofaktoren für die Entstehung dieser Krebsart, sodass man die Wahrscheinlichkeit für die Krankheit senken kann, indem man diese Faktoren meidet. So sollten Menschen im Gesundheitswesen und in anderen entsprechenden Betrieben mit einer hohen Strahlenbelastung auf einen ausreichenden Schutz vor den ionisierenden Strahlen achten. Außerdem gilt Deutschland als „Jodmangelgebiet“ – die Nahrung enthält nicht genügend Jod. Deshalb sollte regelmäßig Fisch gegessen werden – Seefisch enthält, ebenso wie Meeresfrüchte, viel Jod. Außerdem sollte zum Würzen von Speisen jodiertes Speisesalz verwendet werden.

Aktualisiert am 17. Februar 2021