Polydipsie

Ein Durstgefühl entsteht, wenn der Flüssigkeitshaushalt in unserem Körper eine gewisse Untergrenze erreicht hat. Die täglich empfohlene Trinkmenge liegt bei eineinhalb bis zwei Liter. Zu beachten gilt, dass hiermit nicht Flüssigkeit in Form von süßen Getränken oder Alkohol, sondern in Form von Wasser gemeint ist, wobei wir auch durch Nahrung Wasser aufnehmen. Ein Beispiel für wasserreiche Nahrung sind diverse Obst- und Gemüsesorten (Äpfel, Tomaten, Gurken, …).

Wenn das Durstgefühl über einen längeren Zeitraum krankhaft erscheint, spricht man in der Medizin von Polydipsie. Diese entsteht häufig im Rahmen einer körperlichen Erkrankung. Das, am häufigsten auftretende, Begleitsymptom ist die Polyurie, also die vermehrte Ausscheidung von Urin. Diese bewirkt meist erst das alarmierende Flüssigkeitsdefizit.

Wie entsteht Durst eigentlich?

Unser Durstzentrum liegt im Hypothalamus, ein Abschnitt im Zwischenhirn. Im Hypothalamus sind spezialisierte „Fühler“ angesiedelt, die die Flüssigkeitsmenge und die Konzentration an Elektrolyten im Körper genau ermitteln. Ein Durstgefühl entsteht bereits, wenn der „Wasserhaushalt“ um nur ein halbes Prozent sinkt.

Darüber hinaus kann eine hohe Konzentration an Kochsalz im Blut Durst bedingen: Durch die hohe Menge an Elektrolyten muss das Körperwasser verdünnt werden. Der menschliche Körper ist also stets bestrebt, das Gleichgewicht zwischen dem Flüssigkeitsanteil und dem Verhältnis aus gelösten Salzen aufrecht zu erhalten. Dieses Bestreben des Körpers hat maßgeblichen Einfluss auf das Trinkverhalten einer Person. Vereinfacht lässt sich sagen: Wenn das Körperwasser zu dick ist, verlangt der Körper mehr Flüssigkeit, ist es zu dünn, wird mehr Flüssigkeit über den Urin abgegeben.

Das ADH als Botenstoff

Damit die Informationen über den Flüssigkeitszustand des Körpers „zu den Organen gelangen“, nutzt der Körper Hormone bzw. Botenstoffe. Hierbei kommt dem sogenannten Antidiuretischen Hormon eine besondere Rolle zu: Besteht ein Flüssigkeitsmangel, schüttet das Zwischenhirn vermehrt ADH, so die Abkürzung für das Hormon, aus. Dieses bewirkt in der Niere ein Zurückhalten des Harns. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Körper zusätzlich an wichtiger Flüssigkeit verliert. Ist die Funktion des Hormons gestört, kann der Organismus am Tag bis zu 20 Liter Urin verlieren. Dieses Phänomen wird in der Medizin als Diabetes insipidus bezeichnet.

Mögliche Folgen eines übermäßigen Flüssigkeitsmangels

Vor allem ältere Menschen vergessen teilweise das Trinken, da das Durstgefühl aufgrund einer Störung des Regulationszentrums verloren geht. Die Folge kann eine Austrocknung innerhalb von einigen Tagen sein. In der Wissenschaft wird die Austrocknung durch Abnahme des Körperwassers als Exsikkose (lat.: „ex“ = „aus“, „siccus“ = trocknen“) bezeichnet. Bereits bei einem Flüssigkeitsmangel von etwa zehn Prozent kann es zu Gangunsicherheiten sowie zu einem trockenen Mund und zu Sprachstörungen kommen.

Starker Durst ist nicht immer krankhaft!

Es gilt zu beachten, dass Durst auch als ganz natürliches Phänomen auftreten kann. So z.B., wenn man viel Flüssigkeit in Form von Schweiß verloren hat. Das ist u.a. bei sportlicher Betätigung oder bei großer Hitze der Fall. Auch Fieber, Erbrechen und Durchfall bewirken eine vermehrte Flüssigkeitsabgabe, mit der große Mengen an Elektrolyten verloren gehen. Dieser Verlust muss durch eine erhöhte Trinkmenge ausgeglichen werden.

Viele mögliche Ursachen für Polydipsie

Die Ursachen für Polydipsie sind vielfältig: Neben Diabetes insipidus und Diabetes mellitus können dem „vermehrten“ bzw. „starken Durst“ (so die Übersetzung des Begriffs „Polydipsie“) auch eine Schilddrüsenüberfunktion, eine Nierenerkrankung und weitere Faktoren zugrunde liegen.

Diabetes mellitus Typ I und Typ II

Sowohl bei Diabetes Typ I als auch bei Diabetes Typ II fehlt dem Körper Insulin. Dieses ist für den Transport von Zucker aus dem Blut in unsere Körperzellen verantwortlich. Somit sammelt sich bei der Zuckerkrankheit vermehrt Zucker im Blut an. Der Zucker wird letztendlich über den Urin ausgeschieden – der Urin von Personen mit Diabetes mellitus weist einen süßlichen Geschmack auf. Vor allem Typ I-Diabetiker sind von häufigem Wasserlassen, Polydipsie, einer Austrocknung innerhalb von kurzer Zeit und einem deutlichen Gewichtsverlust betroffen.

Eine Schilddrüsenüberfunktion

Eine Überfunktion der Schilddrüse bewirkt, dass vermehrt Hormone ausgeschüttet werden. Diese Hormone lassen den Kreislauf sowie den Stoffwechsel stark arbeiten. Somit kommt es nicht nur zu Polydipsie, sondern auch zu vermehrtem Schwitzen, zu einem Gewichtsverlust, zu Schlafstörungen und zu Nervosität.

Das Cushing-Syndrom als Auslöser für Polydipsie

Mit dem Cushing-Syndrom geht eine Erhöhung der Cortisol-Konzentration im Körper einher. Die typischen Folgen sind ein „Mondgesicht“, ein hoher Blutzuckerspiegel und Polydipsie sowie Polyurie. Außerdem entstehen weitere Symptome.

Hyperkalzämie – wenn die Kalzium-Konzentration im Blut zu hoch ist

Besteht eine zu hohe Kalzium-Konzentration im Blut, äußerst sich das durch ein verstärktes Wasserlassen und somit auch durch starken Durst. Außerdem können Herzrhythmusstörungen entstehen. Die Hyperkalzämie kann die Folge von Hyperparathyreoidismus sein, eine Erkrankung der Nebenschilddrüse.

Tumore und andere Nierenerkrankungen

Infolge von Tumoren oder einer Veränderung des Nierengewebes können eine krankhaft starke Urinausscheidung und ein Diabetes insipidus entstehen.

Hirnverletzungen

Auch Patienten mit Hirnschäden können Polydipsie aufweisen. Das ist auf eine Störung der Durstregulation oder der Freisetzung des ADHs zurückzuführen. Beispiele für Hirnverletzungen, die Polydipsie bedingen können, sind Tumore, Gehirnblutungen und ein Schädel-Hirn-Trauma.

Psychologische Faktoren

Diese Tatsache beruht zwar nicht auf einem verstärkten Durst, aber auch zu Beginn einer Anorexie (Magersucht) als auch bei einer Schizophrenie und bei gewissen Zwangsverhalten trinken Betroffene große Mengen, die denen bei einer Polydipsie ähneln.

Fieber

Ein starkes Durstgefühl kann auch entstehen, wenn eine Person über Fieber klagt. Dann schnellt die Körpertemperatur in die Höhe und der Körper verlangt nach „Kühlung“.

Diuretika und andere Medikamente

Ein starker Durst kann auch durch gewisse Arzneistoffe und vor allem durch harntreibende Medikamente wie Diuretika bewirkt werden. Ebenso entsteht Polydipsie zu Beginn der Einnahme des Antidepressivums Lithium.

Die Diagnose

Der Arzt führt zunächst ein Gespräch mit dem Patienten (sog. Anamnese). Er erkundigt sich nach der Art der Beschwerden und nach der täglichen Trinkmenge sowie nach weiteren Faktoren. Besteht nicht nur ein starker Durst, sondern auch eine vermehrte Urinausscheidung, liegt die erste Maßnahme darin, eine Zuckerkrankheit als Ursache auszuschließen. Das ist möglich, indem der Mediziner eine Urin- und eine Blutprobe auf gewisse Aspekte hin untersucht. Auch ein Diabetes insipidus lässt sich auf diese Weise ausschließen bzw. feststellen. Eine wichtige Kennzahl in Bezug auf die letztgenannte Untersuchung ist die Osmolalität. Hierbei handelt es sich um ein Maß für die Wasserbilanz im Körper. Maßgebend für die Bestimmung der Osmolalität sind Eiweiß, Salz und Traubenzucker (Glukose).

Es können weitere Untersuchungen notwendig sein. Zu diesen gehören die Bestimmung des ADH-Werts, ein sogenannter Durstversuch und diverse bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie. Diese Untersuchungen erfolgen bei einem Nierenspezialisten (Nephrologe) oder bei einem Endokrinologen (Spezialist für Stoffwechsel- und Hormonerkrankungen). Auch kann ein Neurologe zurate gezogen werden. Dieser untersucht den Kopf genauer. Für eine psychologische Untersuchung ist hingegen ein Psychotherapeut oder ein Psychiater zuständig.

Die Ursache bestimmt die Therapiemaßnahmen

Wie üblich gilt, dass die Ursache die Therapie bestimmt. Wurde im Rahmen der Diagnose eine Zuckerkrankheit festgestellt, muss der Patient optimal eingestellt werden. Das gelingt, je nach Typ des Diabetes, mit einer Gewichtskontrolle, mit Insulinspritzen, mit einer bestimmten Ernährung und mit der Gabe von Medikamenten.

Bei Diabetes insipidus wird ein künstlicher ADH-Ersatz in Form von Tabletten angewandt. Auch andere Therapien können notwendig sein. So besteht z.B. auch die Möglichkeit einer medikamentösen oder einer operativen Behandlung. Medikamente kommen z.B. bei Multipler Sklerose oder bei Systemerkrankungen zum Einsatz, eine Operation muss im Fall eines Tumors in der Nebenschilddrüse oder in der Hypophyse in Betracht gezogen werden. Ein Diabetes insipidus mit einer Störung in den Nieren kann durch bestimmte entzündungshemmende oder entwässernde Medikamente behandelt werden.
Ein Patient mit einer psychisch bedingten Polydipsie erhält psychologische Betreuung. Neben der Gesprächstherapie können auch die kognitive Verhaltenstherapie und weitere psychologische Therapieformen Anwendung finden.

So beugt man starkem Durst vor

Sowohl Kaffee als auch Tee und Alkohol wirken harntreibend, sodass Durst aufkommt. Deshalb sollte bereits während des Genusses des morgendlichen Kaffees, des Nachmittagstees oder des abendlichen Cocktails Wasser getrunken werden. So wird der durch die Ausscheidung über den Urin bedingte Flüssigkeitspegel schnellstmöglich wieder ausgeglichen.

Auch, wenn es dem einen oder anderen so vorkommen mag: Fruchtsäfte und andere gesüßte Getränke löschen nicht den Durst! Ganz im Gegenteil: Sie verstärken das Durstgefühl sogar. Anstatt auf solche Getränke zurückzugreifen sollte man lieber Wasser, Tee und Fruchtsaftschorlen trinken.

Auch beim Sport und vor allem bei der sportlichen Betätigung bei heißen Temperaturen sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Bei starkem Schwitzen wird eine höhere Trinkmenge als die sonst täglich empfohlenen 1,5 Liter nahegelegt. Auch ist es sinnvoll, den Elektrolyt-Haushalt durch eine Prise Salz im Gleichgewicht zu halten. Schon ein Viertel Teelöffel Salz im Wasser oder in einem anderen ungesüßten Getränk löscht den Durst und gleicht den Verlust an Elektrolyten aus.

Aktualisiert am 17. Februar 2021