Inkontinenz

Von einer Inkontinenz ist die Rede, wenn eine Person den Urin oder den Stuhl nicht mehr halten kann. Je nachdem, welche Körpersubstanz nicht mehr gehalten werden kann, spricht man von einer Harn- oder einer Stuhlinkontinenz. Beide Typen werden in diverse Arten unterteilt.

Die Harninkontinenz

Die Harninkontinenz wird in der Laiensprache auch als „Blasenschwäche“ bezeichnet. Die Ursache liegt nicht zwangsläufig in der Blase:

Die Inkontinenz durch körperliche Belastungen

Die Belastungsinkontinenz wurde bis vor einiger Zeit noch als „Stressinkontinenz“ bezeichnet. Allerdings gilt dieser Begriff als irreführend – nicht psychischer Stress ist der Auslöser, sondern eine übermäßige körperliche Belastung. Durch das Tragen oder das Anheben von schweren Lasten kann es zu einem erhöhten Druck im Bauchraum kommen. Hierdurch wird ein unwillkürlicher Urinverlust begünstigt. Auch starker Husten, Lachen und Niesen können diesen Urinverlust bedingen. Im Rahmen von sehr ausgeprägten Formen der Belastungsinkontinenz geht bei jeder Bewegung Urin ab. In extremen Fällen kann der Urin sogar im Stehen oder im Liegen, also ohne Bewegung austreten. Ehe der Urin verloren geht, tritt kein Harndrang auf. Frauen sind deutlich häufiger von dieser Form der Inkontinenz betroffen als Männer.

Dranginkontinenz – überfallartiger Harndrang

Von Dranginkontinenz ist die Rede, wenn es zu einem sehr häufigen überfallsartigen Harndrang kommt und zwar, obwohl die Blase nicht voll ist. Der Urin geht schwallartig ab. In vielen Fällen schaffen es die Betroffenen nicht rechtzeitig auf die Toilette.

Reflexinkontinenz – die Blase entleert sich selbstständig

Personen, die an einer Reflexinkontinenz leiden, verspüren keinen Harndrang bzw. sie merken nicht, wenn die Blase voll ist. Somit sind sie auch nicht dazu in der Lage, die Entleerung zu steuern. Deswegen entleert sich die Blase automatisch in unregelmäßigen Abständen. Nicht immer entleert sie sich vollständig.

Überlaufinkontinenz

Ist die Blase voll, fließen stetig kleinen Mengen an Urin ab. Häufig leiden die Betroffenen an einem permanenten Harndrang.

Extraurethrale Harninkontinenz – die Abgabe von Urin erfolgt nicht über die Harnwege

Auch bei dieser Form der Inkontinenz geht ständig Urin verloren und zwar ohne, dass der oder die Betroffene Einfluss darauf hat. Der Begriff „extraurethral“ deutet darauf hin, dass der Urin nicht über die Harnwege, sondern über andere Körperöffnungen abgegeben wird. Ein Beispiel für eine solche Körperöffnung ist eine Fistel. Hierbei handelt es sich um ein unnatürliches Verbindungskanälchen, das zwischen der Blase und dem Darm oder der Scheide gelegen ist.

Die Stuhlinkontinenz

Bei der Stuhlinkontinenz können Betroffene die Darmgase und den Darminhalt nicht im Enddarm halten. Die Stuhlinkontinenz wird in drei unterschiedliche Stadien eingeteilt:

  • Teilinkontinenz Grad I: Es kommt häufig zu einem unkontrollierten Abgang von Darmgasen. Gelegentlich kommt es dabei unter Belastung zu einem sogenannten Stuhlschmieren.
  • Teilinkontinenz Grad II: Die Betroffenen können weder Gase noch dünnen Stuhl im Enddarm halten.
  • Totalinkontinenz: In diesem Stadium hat der oder die Betroffene keinerlei Kontrolle über die Darmentleerung, d.h. es treten sowohl Darmgase als auch flüssiger und fester Stuhl aus.

Die Stuhlinkontinenz wird, je nach der Ursache, in fünf verschiedene Formen unterteilt: die neurale, die sensorische, die muskuläre (auch: motorische), die reservoirbedingte und die psychische Inkontinenz. Ebenso wie bei der Harninkontinenz kann es vorkommen, dass die Betroffenen den Stuhlgang bemerken aber die Toilette nicht mehr rechtzeitig erreichen. Auch bei der Stuhlinkontinenz kann es sein, dass die Patienten keine Anzeichen bemerken, die auf folgenden Stuhlgang hinweisen.

Ursachen für eine Inkontinenz

Bei einer Inkontinenz ist das Zusammenspiel zwischen Blasenmuskel, Schließmuskel und Beckenbodenmuskulatur (= Harninkontinenz) bzw. zwischen dem Verschlussapparat des Afters (= Stuhlinkontinenz) und den steuernden Zentren und Nerven im Gehirn sowie dem Rückenmark gestört. Diese Störung kann sowohl auf einer Erkrankung oder einer Verletzung des Nervensystems als auch auf einer organischen Ursache beruhen.

Auslöser der Harninkontinenz

Die Funktion der Harnblase besteht in der Speicherung und in der Abgabe von Urin zum richtigen Zeitpunkt. Bei der Speicherung ist der Blasenmuskel entspannt – die Blase kann sich füllen und ausdehnen. Der Schließmuskel ist hingegen angespannt. Somit wird verhindert, dass der Urin unmittelbar über die Harnröhre abfließt. Soll die Blase entleert werden, kontrahiert der Blasenmuskel und der Schließmuskel erschlafft (ebenso wie die Beckenbodenmuskulatur). Durch diesen Mechanismus kann der Urin über die Harnröhre abfließen.

Allgemeine Ursachen für eine Harninkontinenz

Faktoren, die eine Harninkontinenz allgemein verschlimmern können, sind ein übermäßiger Alkoholkonsum und diverse Medikamente wie Antidepressiva oder Diuretika.

Ursachen für die Belastungsinkontinenz

Die fünf verschiedenen Formen der Harninkontinenz haben unterschiedliche Ursachen. Die Belastungsinkontinenz ist auf eine Schädigung des Verschlussmechanismus zwischen dem Blasenhals und der Harnröhre zurückzuführen. Zu einer solchen Schädigung kann es im Rahmen von Operationen und Unfällen kommen. Hierbei kann das Beckenboden-Gewebe strapaziert und geschwächt werden. Zudem können Nerven gereizt werden und Verletzungen davontragen. Das führt dazu, dass die Muskeln des Beckenbodens nicht mehr wie üblich gesteuert werden können. Ein besonders hohes Risiko für die Entstehung einer Harninkontinenz besteht bei einer Prostataoperation. Im Rahmen dieses Eingriffs kann der intakte Schließmuskel geschädigt bzw. abgesenkt werden, sodass seine Funktion verloren geht.

Auch eine Vorwölbung der Harnblase kann eine Belastungsinkontinenz begünstigen. Weitere Risikofaktoren für die Entstehung dieser Inkontinenz-Form sind chronischer Husten, ständiges schweres Heben und Übergewicht sowie eine schlecht trainierte Beckenbodenmuskulatur. Diese Faktoren lösen zwar nicht unmittelbar eine Belastungsinkontinenz aus, sie können das Risiko aber deutlich steigern.

Dranginkontinenz – die Blase meldet irrtümlicherweise das Signal „Blase voll“

Die Dranginkontinenz ist auf eine gestörte Signalübertragung zwischen der Blase und dem Gehirn bzw. dem Rückenmark zurückzuführen. So kann bereits eine gering gefüllte Blase fälschlicherweise das Signal „Blase voll“ an das Gehirn senden, sodass die Entleerung eingeleitet wird. Ursachen für diese Art der Harninkontinenz sind Operationen, mit denen Nervenschädigungen oder –Reizungen einhergehen sowie diverse neurologische Erkrankungen (Parkinson, Multiple Sklerose, …). Auch die Folgen eines Schlaganfalls und ein Hirntumor können der Auslöser sein. Eine Dranginkontinenz kann zudem durch eine unzureichend behandelte Diabetes-Erkrankung und durch diverse psychische Ursachen bedingt sein. Auch Blasensteine und andere ständige Reizungen der Blase sind eine mögliche Ursache.

Ursachen für eine Reflexinkontinenz

Die Ursache für diese Form der Harninkontinenz liegt in einem Verlust der Koordination zwischen der Blase und dem Schließmuskel aufgrund von Störungen an die Blase steuernden Nerven. Verletzungen des Rückenmarks (z.B. Querschnittslähmung) können ebenso der Auslöser sein wie neurologische Erkrankungen (Alzheimer, Schlaganfall, …).

Überlaufinkontinenz – ein verhinderter Abfluss

Bei der Überlaufinkontinenz liegt ein Hindernis am Blasenausgang vor, welches den Abfluss verhindert. Ein solches Hindernis kann eine Harnröhrenverengung oder eine vergrößerte Prostata sein. Solche Veränderungen werden beispielsweise durch Tumore verursacht.

Ursachen für die extraurethrale Inkontinenz

In den meisten Fällen ist die extraurethrale Inkontinenz angeboren.

Mögliche Auslöser einer Stuhlinkontinenz

Die Ursachen für eine Stuhlinkontinenz sind ebenso vielfältig wie die für eine Harninkontinenz. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass die Stuhlinkontinenz durch Funktionsstörungen des Schließmuskels oder durch eine Beeinträchtigung der Nervenwahrnehmung am Darmausgang infolge einer Operation oder einer Entbindung bedingt ist. Auch können chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (z.B. Morbus Crohn) die Ursache sein. Weitere mögliche Auslöser sind neurologische Krankheiten wie die Multiple Sklerose und Tumore im Enddarm-Bereich. Eine Trägheit des Darms kann die Stuhlinkontinenz ebenso bedingen wie eine Verstopfung. Im letzten Fall führt der festsitzende Stuhl zu einer Blockade, welche nur von wässrigem Stuhl passiert wird.

Weitere Ursachen für eine Stuhlinkontinenz:

  • Medikamente (Antidepressiva, Parkinson-Medikamente, …)
  • Beckenbodenschwäche
  • Vorfall des Enddarms oder des Mastdarms
  • Ausgeprägte Hämorrhoiden

Die Diagnose: Anamnesegespräch

Um festzustellen, ob der Patient an einer Inkontinenz (und wenn ja, an welcher Art) leidet, führt der Arzt zunächst ein ausführliches Anamnesegespräch mit dem Betroffenen. In diesem Gespräch erkundigt sich der Mediziner nach den genauen Beschwerden und nach der Krankengeschichte. Er fragt, ob Begleitbeschwerden wie Schmerzen bestehen und, wann es zum unfreiwilligen Austritt kommt. Auch ist wichtig, ob der Patient ein Gefühl der unvollständigen Darm- oder Blasenentleerung hat. Weitere Themen im Rahmen der Anamnese sind vorausgegangene Operationen oder Entbindungen sowie die Fähigkeit, zu unterscheiden, ob der Mastdarm oder die Blase gefüllt ist oder nicht.

Die Diagnose: Trink- und Blasentagebuch

In einigen Fällen (bei dem Verdacht auf eine Harninkontinenz) bittet der Arzt den Patienten darum, ein sogenanntes Trink- und Blasentagebuch zu führen. Hierin vermerkt der oder die Betroffene, wie viel Flüssigkeit zugeführt wird und welche Merkmale der Harnabgang aufweist.

Die körperliche Untersuchung

Es folgt eine körperliche Untersuchung. Der Arzt kontrolliert die äußeren Genitalien und den Enddarm. Zudem kann er den Spannungszustand der Schließmuskeln überprüfen und er kann eine vergrößerte Prostata und Fisteln erkennen. Um neurologische Ursachen auszuschließen oder festzustellen, führt der Mediziner einen Test der Nervenfunktionen durch. Eine Untersuchung des Stuhls bzw. des Urins gibt wiederum Aufschluss über eine mögliche Infektion oder Entzündung. Eine Ultraschalluntersuchung dient u.a. dazu, Tumore, Nieren- und Blasensteine sowie angeborene Fehlbildungen aufzudecken. Mit dieser Untersuchung lassen sich auch Verletzungen, die im Rahmen einer Operation entstanden sind, feststellen.

Weitere Untersuchungen

Auch eine Darm- oder eine Blasenspieglung kann durchgeführt werden. Hierdurch lassen sich mögliche Veränderungen der Schleimhäute erkennen. Eine Röntgenkontrastaufnahme kann wiederum Aufschluss über diverse Fehlfunktionen geben.

Die Therapie einer Harninkontinenz

Die Therapie ist maßgeblich von der Form der Inkontinenz als auch von der Ursache für diese abhängig. Zudem muss die Behandlung an die jeweilige Lebenssituation des Patienten angepasst sein. Bei einer Belastungsinkontinenz kann bereits ein Beckenbodentraining Abhilfe verschaffen. Unter der Anleitung eines Physiotherapeuten lernt der Patient u.a., die alltägliche Belastung des Beckenbodens durch das Ablegen von falschen Anspannungsmustern zu reduzieren. Zudem wird die Muskulatur gestärkt. Im Rahmen der Elektrotherapie werden die Beckenmuskeln passiv durch elektrische Impulse trainiert. Diese Impulse sind schmerzlos. Von einem „Toilettentraining“ ist die Rede, wenn der Patient in Absprache mit dem behandelnden Arzt die Trinkmengen anpasst, die geeigneten Getränke (nicht treibend) wählt und feste „Toilettenzeiten“ plant. Auf diese Weise kann der Umgang mit der Harnkontinenz im Alltag deutlich erleichtert werden.

Liegt eine Dranginkontinenz vor, kann die Einnahme von Anticholinergika sinnvoll sein. Diese Medikamente wirken krampflösend. Außerdem bewirken sie, dass sich der Blasenmuskel nicht zusammenzieht, sodass der starke Harndrang nachlässt. Auch die Überlaufinkontinenz kann medikamentös behandelt werden. Hierzu verschreibt der Arzt sogenannte Alpharezeptorblocker. Diese lockern den Blasenverschluss und vermindern die Restharnmenge, indem sie den Auslasswiderstand senken. Wiederum kommen bei einer Reflexinkontinenz Parasympatholytika zum Einsatz. Durch diese wird die Blase entspannt.

Behandlung der Harninkontinenz II

Eine weitere Möglichkeit, eine Reflexinkontinenz zu therapieren, besteht in der Legung eines Katheters. Eine extraurethrale Inkontinenz muss hingegen im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs behandelt werden. Im Rahmen dieser Operation kann die Fistel verschlossen werden. Auch bei einer vergrößerten Prostata kommt der Patient i.d.R. nicht um einen operativen Eingriff herum. Mit einem implantierten „Blasenschrittmacher“ kann man die Blase beruhigen bzw. diese stimulieren. So wird der Blase dabei geholfen, sich angemessen zu entleeren.

So wird eine Stuhlinkontinenz behandelt

Beckenbodentraining, Elektrotherapie und das sogenannte Toilettentraining sind auch für die Behandlung einer Stuhlinkontinenz geeignet. Auch bei einer Stuhlinkontinenz ist das Implantieren eines Schrittmachers möglich. Dieser verbessert die Koordination zwischen dem Beckenboden, dem Darm, dem Schließmuskel und dem Gehirn. Außerdem können Abführmittel eingesetzt werden, um eine Verstopfung aufzulösen. Sogenannte Motilitätshemmer verringern die Häufigkeit des Stuhlgangs. Außerdem besteht die Möglichkeit, verletzte Schließmuskeln im Rahmen einer Operation zu nähen. Teilweise ist auch ein größerer chirurgischer Eingriff notwendig, beispielsweise, wenn der Dickdarm abgesunken ist. In diesem Fall muss der Dickdarm wieder am Kreuzbein fixiert werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, einen künstlichen Schließmuskel einzusetzen.

Vorbeugung

Es gibt einige Maßnahmen, mit denen man das Risiko für eine Inkontinenz senken kann. Einige dieser vorbeugenden Maßnahmen können auch der Linderung von bestehenden Beschwerden dienen.

Mit einfachen gymnastischen Übungen können die Beckenbodenmuskeln derart gestärkt werden, dass das Risiko für eine Inkontinenz gesenkt wird. Da Rauchen zu chronischem Husten führen kann, welcher wiederum einen erhöhten Druck im Bauch bewirkt, sollte auf das Rauchen verzichtet werden bzw. sollte man mit dem Rauchen aufhören. Ein erhöhter Druck im Bauchraum kann auch durch Übergewicht entstehen – es gilt, bestehendes Übergewicht abzubauen bzw. durch regelmäßige sportliche Betätigung erst gar nicht zu viele Pfunde auf die Waage zu bringen. Auch die Ernährung spielt hierbei eine wichtige Rolle: Wer Übergewicht vermeiden möchte, sollte sich ausgewogen und kalorienarm ernähren. Apropos Ernährung: Den Darm oder die Blase reizende Lebensmittel sollten vermieden werden. Nur einige dieser Nahrungsmittel sind scharfe Speisen, Kaffee und kohlensäurehaltige Getränke sowie blähende Lebensmittel (Zwiebeln, Bohnen, …).

Wer an einer Blasenschwäche leidet, sollte sein Trinkverhalten kontrollieren. Damit ist keinesfalls gemeint, dass man weniger Flüssigkeit zuführen soll! Vielmehr sollte man ein „Trink- und Blasentagebuch“ führen und die festgehaltenen Informationen von einem Arzt begutachten lassen. Eine weitere Möglichkeit, einer Inkontinenz vorzubeugen bzw. diese zu verbessern besteht in der Ausführung von Entspannungsübungen: Yoga, die Progressive Muskelrelaxation und das Autogene Training helfen dabei, Stress abzubauen und die Inkontinenz zu kontrollieren.

Aktualisiert am 15. Februar 2021