Akute Belastungsreaktion

Eine Akute Belastungsreaktion (im Englischen: acute stress disorder) geht i.d.R. mit einem schweren psychischen Erlebnis oder mit einer starken körperlichen Belastung einher, die der Betroffene nicht bewältigen kann. In der Umgangssprache wird die Akute Belastungsreaktion (ABR) auch als Nervenzusammenbruch bezeichnet.

Zudem ist sie auch unter dem Namen Akute Belastungsstörung bekannt. Diese Bezeichnung wird jedoch immer wieder kritisiert, da es sich bei der ABR ausdrücklich um keine Störung im Sinne einer Krankheit handelt. Aus diesem Grund fordern Kritiker, dass die ABR auch nicht als solche bezeichnet wird. Stattdessen handelt es sich bei der ABR um eine „normale“ Reaktion auf eine Erfahrung, die belastender ist als herkömmliche, alltägliche Belastungen.

Die Symptome der Akuten Belastungsreaktion

Wer an einer Akuten Belastungsreaktion leidet, weist ein aggressives Verhalten gegenüber sich und seiner Umgebung auf. Dieses Verhalten wird auch als affektive Verhaltensstörung bezeichnet.

Die Symptome können sich im Verlauf der Zeit verändern. So ist der Betroffene zunächst wie betäubt und in seiner Aufmerksamkeit sowie in seinem Bewusstsein eingeschränkt. Das führt dazu, dass neue Reize – egal, welcher Art – nicht verarbeitet werden können. Hinzu kommen dissoziative Symptome: Häufig haben die Betroffenen das Gefühl einer Derealisation oder eine Depersonalisation. Erstere beschreibt die Wahrnehmung, die Welt nur aus der Ferne zu erleben. Bei der Depersonalisation hat der oder die Betroffene wiederum ein Gefühl als sei sie nicht sie selbst.

Zu den weiteren Symptomen zählen starke Gefühlsschwankungen, im Rahmen derer starke Trauer, Wut sowie ein Gefühl der Gleichgültigkeit abwechselnd auftreten können und das in einem sehr begrenzten Zeitraum.

Auch körperliche Anzeichen wie Stress, Herzrasen, Übelkeit oder vermehrtes Schwitzen gehören zu den Symptomen einer ABR. Das führt häufig dazu, dass sich die Betroffenen stark zurückziehen, manche werden hingegen ungewöhnlich aktiv oder unruhig. Es kann auch vorkommen, dass sich der Patient nicht an das Trauma bzw. an die Zeit kurz danach erinnert.

Weitere Symptome

Da ein Trauma immer psychisch verarbeitet werden muss, kann es vorkommen, dass der Betroffene die Geschehnisse in Form von schlimmen Alpträumen oder sogar in Form von aufdrängenden Erinnerungen wiedererlebt. Diese Erinnerungen werden Flashbacks genannt.

Patienten mit einer Akuten Belastungsreaktion meiden häufig Aktivitäten und Situationen, die sie mit dem traumatischen Erlebnis in Verbindung bringen. Zudem kann es zu einer emotionalen Abstumpfung kommen. Auch besteht die Möglichkeit einer eingeschränkten Empfindungsfähigkeit, einer erhöhten Schreckhaftigkeit sowie einer hohen körperlichen Erregung, mit der Schlafstörungen einhergehen.

Die Symptome können sich in einer ausgeprägten psychischen Beeinträchtigung manifestieren

Bei den meisten Betroffenen gehen die Symptome einer ABR nach einer gewissen Zeit zurück bis sie letztendlich ganz verschwinden. Es kann aber durchaus passieren, dass die Symptome auch über längere Zeit bestehen bleiben und in einer ausgeprägten psychischen Beeinträchtigung enden. Bestehen die Symptome länger als vier Wochen, besteht z.B. die Gefahr, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung entsteht.

Jeder kann eine Akute Belastungsreaktion entwickeln – die Ursachen

Es gibt nicht den typischen Patienten, der an einer Akuten Belastungsreaktion leidet – grundsätzlich kann jeder solch eine Reaktion entwickeln. Es gibt jedoch diverse Faktoren, die das Risiko für einen Nervenzusammenbruch erhöhen. Zu diesen Faktoren zählen u.a. vorherige seelische und körperliche Erkrankungen sowie die körperliche und die psychische Erschöpfung. Außerdem gelten fehlende Strategien zur Verarbeitung des Erlebten als „Hauptursache“. In diesem Zusammenhang spricht man von „fehlendem Coping“.

Ereignisse, die eine Akute Belastungsreaktion auslösen können

Der Grund für einen Nervenzusammenbruch ist immer ein traumatisches Erlebnis. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Person selbst etwas zustößt oder ob sie „nur“ Beobachter, Angehöriger oder Helfer ist. Die Ereignisse, die eine Akute Belastungsreaktion auslösen können, stellen i.d.R. lebensbedrohliche Situationen oder Situationen dar, die die Welt des Betroffenen auf den Kopf stellen. In diesen Situationen wird alles, was sicher und vertraut erscheint, als durcheinander und unsicher erlebt.

Zu den Ereignissen, die eine ABR auslösen können, gehören u.a. die folgenden:

  • Krieg und Flucht
  • Körperverletzungen
  • Sexuelle Gewalt
  • Schwere Unfälle
  • Raubüberfälle
  • Naturkatastrophen
  • Terroranschläge

Die Diagnose der Akuten Belastungsreaktion

Wenn der Verdacht besteht, dass eine Person unter einer Akuten Belastungsreaktion leidet, wird der oder die Betroffene zunächst von einem Psychologen oder von einem Psychiater untersucht. Dieser befragt den Patienten ausführlich zu seiner Krankengeschichte (Anamnese). Zu den typischen Fragen in solch einem Gespräch gehören u.a. die folgenden:

  • Welche körperlichen Symptome bestehen?
  • Wie ist der Betroffene aufgewachsen?
  • Sind Vorerkrankungen bekannt?
  • Wie hat sich der Zustand des Patienten seit dem einschneidenden Ereignis verändert?
  • Hat der Betroffene bereits eine ähnliche Erfahrung machen müssen?

Natürlich achtet der Therapeut in solch einem Gespräch darauf, dass sich der Patient sicher und geborgen fühlt. Zudem werden körperliche Untersuchungen durchgeführt: Der Blutdruck wird ebenso gemessen wie die Atemfrequenz und die Herzfrequenz. Außerdem wird versucht herauszufinden, ob bei dem Patienten Risikofaktoren bestehen, die den Verlauf der Akuten Belastungsreaktion verschlimmern könnten.

Die Differenzierung von anderen Erkrankungen

Bei der Untersuchung ist es auch wichtig, die Akute Belastungsreaktion von anderen Erkrankungen zu differenzieren. Diese Differenzierung bezieht sich zum einen auf die bereits erwähnte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), bei der die Symptome bereits länger als vier Wochen bestehen. Hierbei handelt es sich um eine therapiebedürftige Erkrankung. Zum anderen muss die ABR von einer Anpassungsstörung unterschieden werden. Von dieser spricht man, wenn der Betroffene auch nach einem halben Jahr nicht dazu in der Lage ist, sich an eine neue Situation – etwa nach der Emigration oder nach einer Scheidung – anzupassen.

Die Behandlung

Viele Betroffene versuchen alleine mit dem Nervenzusammenbruch fertigzuwerden. Allerdings ist das Aufsuchen von Experten immer ratsam. So gibt es verschiedene Personengruppen, die eigens dazu ausgebildet worden, Menschen in einer akuten Ausnahmesituation zu unterstützen. Zu diesen Personen zählen i.d.R. Menschen, die als aller erstes an dem Ort eines schrecklichen Ereignisses eintreffen: Polizisten, Feuerwehrmänner, Notärzte, Soldaten und andere Helfer. Allein die Präsenz dieser Leute gibt dem Betroffenen ein Gefühl der Sicherheit. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Helfer den Betroffenen zu einem Psychotherapeuten oder zu einem Seelsorger begleiten.

Geeignete psychologische Therapien

Der erste Schritt, um eine Akute Belastungsreaktion behandeln zu können, ist immer die Kontaktaufnahme zum Betroffenen. In einer sicheren Umgebung bieten ihm die Verantwortlichen Unterstützung an. Wird in diesem ersten Gespräch eine Suizidgefahr festgestellt, wird der Patient zur eigenen Sicherheit stationär aufgenommen. Wird diese Gefahr nicht bestätigt, erfolgt die Behandlung i.d.R. ambulant. Diese Behandlung kann sich aus den folgenden psychologischen Therapien zusammensetzen:

  • Verlernen des gestörten Verhaltens und Erlernen von alternativen Verhaltensweisen (Verhaltenstherapie)
  • Die ABR soll als ein Problem verstanden werden, damit sie besser bewältigt werden kann (Psychoedukation)
  • Hypnose
  • Eye Movement Desensitization and Reprocessing: Bestimmte Augenbewegungen sollen das Trauma neu erlebbar machen und somit zu einer besseren Verarbeitung beitragen

Weitere Maßnahmen können sinnvoll sein. Leidet der Patient z.B. an Schlafstörungen, können schlafanstoßende und dämpfende Medikamente und Antidepressiva verschrieben werden.

Die Vorbeugung der Akuten Belastungsreaktion

Da sich schlimme, psychisch stark belastende Ereignisse nicht vorhersehen lassen, kann einer Akuten Belastungsreaktion nur bedingt vorgebeugt werden. So hat jeder die Möglichkeit, sein Dauerstress-Level möglichst gering zu halten. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass ein einziges Ereignis die Person komplett aus der Bahn wirft. Natürlich hängt das immer von der Schrecklichkeit des Erlebnisses ab. Um Dauerstress zu vermeiden, sollte man die folgenden Hinweise beachten:

  • Es gilt, seine Lebensgewohnheiten so zu gestalten, dass man aus Überzeugung sagen kann, dass es einem gut geht.
  • Wer stark gestresst ist, sollte zumindest für einen gewissen Zeitraum privat oder beruflich kürzertreten.
  • So kann man neue Kraft tanken.
  • Es sollten Entspannungsphasen in den Alltag eingebaut werden. Diese Phasen sollten von Dingen geprägt sein, die einem Freude bereiten.
  • Enorm wichtig ist die sportliche Betätigung: Diese ist nicht nur gut für den Organismus, sondern setzt auch Endorphine (Glückshormone) frei.
  • Bei schönem Wetter heißt es: Raus in die Natur und an die frische Luft. Das tut der Seele gut.
Aktualisiert am 13. Februar 2021