Vegetative Dystonie

Um die vegetative Dystonie zu verstehen, muss man zunächst wissen, was das vegetative Nervensystem ist. Dieses wird auch als autonomes Nervensystem bezeichnet. Demnach steuert es alle Körperfunktionen, die automatisch bzw. ohne Bewusstsein ablaufen. So ist das vegetative Nervensystem beispielsweise für die Regulierung des Blutdrucks als auch für die Verengung der Pupillen bei grellem Licht verantwortlich. Demgegenüber stehen körperliche Aktionen, die bewusst von einer Person ausgeführt werden. Bei diesen Bewegungen ist das sogenannte somatische Nervensystem aktiv. Den Großteil der Zeit sind diese Systeme nicht einzeln, sondern in enger Verbindung zueinander aktiv.

Das vegetative Nervensystem wird in zwei sogenannte funktionelle Gegenspieler unterteilt:

  • der Sympathikus, welcher auch als sympathisches Nervensystem bezeichnet wird
  • der Parasympathikus, welcher auch als parasympathisches Nervensystem bezeichnet wird

Das sympathische Nervensystem versetzt den Menschen in Anspannung, d.h. es beschleunigt diverse Körperfunktionen wie den Herzschlag und die Atmung – der Körper wird in den Zustand einer sogenannten Kampf-oder-Flucht-Reaktion versetzt. Demgegenüber ist der Parasympathikus für regenerative und entspannende Prozesse verantwortlich. Wenn diese beiden Systeme nicht miteinander harmonieren bzw., wenn das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus gestört ist, dann ist die Rede von einer vegetativen Dystonie.

In der Medizin wird die vegetative Dystonie als Diagnose allerdings heftig umstritten. Und zwar behaupten Kritiker, dass diese Diagnose nur gestellt wird, wenn der Arzt keine anderen Ursachen für die einhergehenden Beschwerden findet. Wenn ein Patient über einen längeren Zeitraum unter Symptomen leidet, für die keine Ursache gefunden werden kann, ist in der Medizin häufig auch die Rede von funktionellen Syndromen oder somatoformen Störungen.

Vegetative Dystonie – eine fehlregulierte Spannung im vegetativen Nervensystem

Wörtlich bedeutet der Begriff “vegetative Dystonie“ eine fehlregulierte Spannung (Dystonus) im vegetativen Nervensystem. Da das vegetative Nervensystem für diverse körperliche Funktionen zuständig ist, werden unter dem Begriff der vegetativen Dystonie verschiedene Symptome zusammengefasst. Zu diesen gehören beispielsweise Kopfschmerzen, ein hoher Blutdruck und Kreislauf-Beschwerden.

Heutzutage gibt es mehrere Synonyme für die vegetative Dystonie. Einige dieser sind die Begriffe „vegetative Neurose“, „neurovegetative Störung“ und „autonome Dysregulation“.

Zu beachten ist, dass die vegetative Dystonie nicht der Dystonie entspricht! Bei dieser handelt es sich nämlich um einen Sammelbegriff für diverse Bewegungsstörungen wie Verkrampfungen in verschiedenen Körperregionen.

Vegetative Dystonie – ein Sammelbegriff für verschiedene Symptome

Zu den typischen Merkmalen der vegetativen Dystonie gehören eine starke Nervosität, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen. Außerdem klagen die Patienten über Schwindelgefühle, Muskelkrämpfe und Verstopfungen. Zudem sind Betroffene häufig leicht reizbar.

Da die vegetative Dystonie ein Sammelbegriff für verschiedene Symptome ist, können mit ihr weitaus mehr Beschwerden einhergehen. Es kann eine innere Unruhe entstehen und es kann zu Herzbeschwerden und sogar zum Herzrasen kommen. Ebenso kann das Herz schmerzen, es können Herzrhythmusstörungen auftreten und das Herz kann stolpern.

Potentielle Symptome sind außerdem eine sexuelle Unlust, Wechseljahresbeschwerden und Durchfall. Auch kalte Hände und Magenkrämpfe können mit der vegetativen Dystonie verbunden sein.

Des Weiteren können sogenannte Symptomkomplexe auftreten. Hierbei handelt es sich um gemeinsam auftretende Symptome, welche oft als eigenständige Erkrankungen behandelt werden. Ein Beispiel für einen solchen Symptomkomplex ist das hyperkinetische Herzsyndrom. Dieses zeichnet sich durch hohe Blutdruckschwankungen und durch regelmäßiges Herzrasen aus.

Ein weiterer solcher Symptomkomplex ist der Reizdarm. Hierbei handelt es sich um chronische Verdauungsstörungen, mit denen Blähungen, Bauchschmerzen und andere Beschwerden einhergehen.

Häufig werden keine Ursachen gefunden

In vielen Fällen findet der Arzt keine Ursache für die vegetative Dystonie – nicht selten ist die Erkrankung durch mehrere Faktoren wie seelische Umstände, körperliche Zustände und soziale Einflüsse bedingt. Wenn rein körperliche Ursachen für die vegetative Dystonie ausgeschlossen werden können, müssen psychosomatische Auslöser in Betracht gezogen werden: Wenn langanhaltende Kopfschmerzen, Schlafstörungen und andere Beschwerden nach einem permanenten Stresszustand oder nach dem Verlust einer geliebten Person entstehen, wird das häufig als vegetative Dystonie diagnostiziert.

Die Diagnose ist alles andere als einfach

Um eine Diagnose stellen zu können, führt der Arzt zunächst ein Anamnesegespräch mit dem Patienten. Er erkundigt sich nach möglichen Vorerkrankungen, nach den auftretenden Beschwerden und nach regelmäßig einzunehmenden Medikamenten. Auch fragt der Arzt nach dem zeitlichen Auftreten der Symptome und die Lebenssituation kann wichtige Hinweise geben.

Nach der Anamnese folgen diverse körperliche Untersuchungen: Klagt der Patient beispielsweise häufig über Magen-Darm-Probleme, wird der Mediziner die Bauchdecke abtasten. Bei Beschwerden in der Herzgegend wird er wiederum die Herztöne abhören.

Anschließend werden der Puls und der Blutdruck gemessen und es erfolgt eine Blutabnahme. Die Untersuchung des Bluts kann Aufschluss über körperliche Entzündungsprozesse geben und es kann festgestellt werden, ob eventuell ein Nährstoffmangel vorliegt. Ebenso kann überprüft werden, ob ein Mangel oder ein Überschuss an bestimmten Hormonen besteht. Auf diese Weise können Ursachen wie ein Eisenmangel oder eine Fehlfunktion der Schilddrüse ausgeschlossen werden.

Sollte im Rahmen dieser Untersuchungen noch keine körperliche Erkrankung als Ursache für die Beschwerden ausgeschlossen werden können, können weitere spezielle Untersuchungen, die sich nach der Symptomatik richten, durchgeführt werden. Beispiele für solche weiterführenden Untersuchungen sind eine Urinuntersuchung, ein EKG sowie diverse bildgebende Verfahren (z.B. eine Röntgenuntersuchung).

Die Psychotherapie als erfolgsversprechende Maßnahme

Die Therapie der vegetativen Dystonie sieht von Fall zu Fall unterschiedlich aus. Hilft die Umstellung der Lebensgewohnheiten nicht, um die Beschwerden zu lindern, kann eine Psychotherapie in Betracht gezogen werden. Diese verzeichnet bei einer vegetativen Dystonie gute Erfolge. Im Rahmen der psychotherapeutischen Maßnahmen sollen die Patienten lernen, ihre Beschwerden im Alltag eigenständig zu lindern bzw. unter Kontrolle zu bringen. Eine vegetative Dystonie kann einen Hinweis darauf geben, dass bestimmte Vorfälle noch nicht verarbeitet wurden. Neben Verhaltenstherapien können auch Entspannungstechniken sinnvoll sein: Yoga, die Progressive Muskelrelaxation und weitere Verfahren sowie sportliche Aktivitäten tragen generell einen großen Teil dazu bei, dass es den Patienten bessergeht.

Es gilt, die Ursachen zu verarbeiten

Das übergeordnete Ziel der Therapie besteht demnach in der Verarbeitung der Ursachen für die Symptome. Meist kann komplett auf eine medikamentöse Behandlung verzichtet werden, da bereits psychische Bewältigungsstrategien zu einer deutlichen Verbesserung des Zustands führen. Sollte der Patient starke Schmerzen aufweisen, können jedoch auch Schmerzmittel eingesetzt werden. Meist wird versucht, die Medikamente so schnell wie möglich wieder abzusetzen.

Die beste Vorbeugung: ein gesundes Leben führen!

Aufgrund der vielen möglichen Ursachen und aufgrund der bis heute größtenteils noch unklaren Zusammenhänge kann einer vegetativen Dystonie nicht konkret vorgebeugt werden. Als beste Maßnahmen gelten eine positive Einstellung gegenüber dem Leben sowie ein aktiver Lebensstil. Zudem wirkt eine abwechslungsreiche, gesunde Ernährung vorbeugend. Auch soziale Kontakte haben einen positiven Einfluss. Deshalb sollten sich Personen, die an einer vegetativen Dystonie leiden, auch niemals aus dem sozialen Umfeld zurückziehen.

Sofern die auslösenden Faktoren gefunden wurden, gilt eine vegetative Dystonie als gut heilbar. Selbst die Symptome bei einem chronischen Verlauf können mit relativ einfachen Mitteln bekämpft werden.

Aktualisiert am 20. Februar 2021