Subclavian-steal-Syndrom

Die Anatomie der Blutversorgung des Gehirns

Die rechte und die linke Arteria carotis interna als auch die rechte und die linke Arteria vertebralis sind für die Versorgung des Gehirns mit Blut zuständig. Diese vier Arterien sind über Blutgefäße miteinander verbunden. Die linke Karotisarterie entstammt der Aorta (Hauptschlagader). Links von der Arterie zweigt die sogenannte linke Arteria subclavia ab. Rechts geht wiederum der sogenannte Truncus brachiocephalicus ab. Dieser versorgt die rechte Körperhälfte mit Blut. Der Truncus brachiocephalicus teilt sich in seinem Verlauf in die rechte Karotisarterie und in die rechte Arteria subclavia auf. Wiederum entspringt aus der linken und der rechten Arteria subclavia die jeweilige Arteria vertebralis. Diese Arterie verläuft entlang der Wirbelkörper in Richtung Schädel, wo sie Teile des Gehirns versorgt. Der Verlauf der Arteria subclavia liegt unter dem Schlüsselbein. Die Arterie verläuft in Richtung der Achsel und versorgt die Arme mit Blut.

Die Schlüsselbeinarterie klaut der Wirbelarterie das Blut

Beim Subclavian-steal-Syndrom handelt es sich um eine seltene Durchblutungsstörung des Gehirns. Diese Störung entsteht, wenn die Arteria subclavia, also die Schlüsselbeinarterie verengt ist. Ein häufiger Grund für diese Verengung ist eine Verkalkung der Gefäße. Die verengte Arteria subclavia versucht die verminderte Durchblutung auszugleichen, indem sie die Wirbelarterie (Arteria vertebralis) anzapft. Diese versorgt das Gehirn mit Blut. Man könnte sagen, dass die Schlüsselbeinarterie der Wirbelbeinarterie das Blut stiehlt – deshalb der Name Subclavian-steal-Syndrom (im Englischen: to steal = stehlen). Was folgt, ist eine Mangelversorgung diverser Hirnabschnitte mit Blut.

Subclavian-steal-Syndrom vs. Subclavian-steal-Phänomen

In der Medizin wird zwischen dem Subclavian-steal-Syndrom und dem Subclavian-steal-Phänomen unterschieden. Während das Subclavian-steal-Syndrom einen Symptomkomplex darstellt, bei dem verschiedene zusammenhängende und gleichzeitig auftretende Krankheitszeichen vorliegen, liegen beim Subclavian-steal-Phänomen Ursachen für ein mögliches Subclavian-steal-Syndrom vor. Der Patient ist aber noch asymptomatisch, d.h. er weist keinerlei Beschwerden auf.

Die Symptome bei einem Subclavian-steal-Syndrom

Zu den typischen Symptomen im Rahmen des Subclavian-steal-Syndroms gehören:

  • Schwindelgefühle und Müdigkeit
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Sehstörungen (vorübergehende Gesichtsfeldausfälle)
  • Sensibilitätsstörungen und Lähmungen
  • Ohrensausen
  • Kopfschmerzen (vor allem am Hinterkopf)
  • Bewusstseinsstörungen

Diese Symptome werden durch die verminderte Durchblutung des Kleinhirns, des Großhirns und des Sehzentrums im Gehirn sowie des Arms auf einer Seite bedingt. Ist die Versorgung des Gehirns mit Blut stark vermindert, kann es außerdem zu anfallsartigen unkontrollierten Bewegungen (Ataxie), zu Sprachstörungen (Dysarthrie) und zu einer Sturzneigung kommen.

In einigen Fällen gewährleistet eine zusätzliche Blutzufuhr aus verschiedenen anderen Arterien, dass es nicht zu einem Blutdruckabfall kommt. Dann entstehen keine Symptome.

Die Beschwerden aufgrund einer geringen Durchblutung des Arms treten deutlich seltener auf als die Symptome im Zusammenhang mit dem Gehirn. Ist der Arm der jeweiligen Seite betroffen, macht sich das in Form von Schmerzen, Schwäche und einem Kribbeln oder Stechen bemerkbar. Außerdem kann sich ein Kältegefühl entwickeln. In vielen Fällen werden die Symptome im Arm dadurch hervorgerufen, dass der oder die Betroffene den Kopf schnell in Richtung der betroffenen Seite dreht oder eine Muskelarbeit mit dem Arm ausführt.

Die Ursache liegt in einem Verschluss bzw. einer Verengung bestimmter Blutgefäße

Die Ursache für das Subclavian-steal-Syndrom liegt in der Verengung bzw. in dem Verschluss der Arteria subclavia bzw. des Truncus brachiocephalicus. Eine starke Verengung von Blutgefäßen wird Stenose genannt, einen Verschluss bezeichnet man als Okklusion. Entscheidend für die Entstehung eines Subclavian-steal-Syndroms ist, dass die Verengung bzw. der Verschluss vor dem Abgang der Wirbelarterie aus der Arteria subclavia liegt. Die Verengung bewirkt, dass zu wenig Blut in den jeweiligen Arm gelangt. Um eine ausreichende Versorgung des Arms mit Blut zu gewährleisten, zapft die Arteria subclavia die Wirbelarterie an. Diese versorgt üblicherweise das Gehirn mit Blut. Durch die Anzapfung der Arteria vertebralis kommt es zu einem umgedrehten Blutstrom, d.h. das Blut fließt nicht mehr in das Gehirn, sondern in die Arteria subclavia.

Risikofaktoren für die Entstehung eines Subclavian-steal-Syndroms

Vor allem Personen mit einem Gefäßleiden weisen eine erhöhte Gefahr für die Entstehung eines Subclavian-steal-Syndroms auf. Besonders die Arteriosklerose (Verkalkungen) begünstigt eine Verengung der Blutgefäße. Außerdem führen Bewegungsmangel, Tabakrauch und hohe Blutfettwerte zu verengten Blutgefäßen. Eine Verengung kann auch durch Fehlbildungen der Gefäße bedingt sein.

So stellt der Arzt die Diagnose

Um das Subclavian-steal-Syndrom diagnostizieren zu können, führt der Arzt zunächst ein Anamnesegespräch mit dem Patienten: er erkundigt sich nach den auftretenden Beschwerden sowie nach der Krankheitsgeschichte. Es folgt eine körperliche Untersuchung, im Rahmen derer der Blutdruck und der Puls gemessen werden. Sofern diese Untersuchungen einen einseitigen abgeschwächten Puls und eine Differenz zwischen den beiden Armseiten von mindestens 20 mmHg ergeben, deutet das auf eine verengte Arteria subclavia hin. Liegt eine solche Verengung vor, kann der Arzt beim Abhören des Herzens und der umgebenden Blutgefäße Störgeräusche wahrnehmen.

Die Therapie erfolgt interdisziplinär

Um ein Subclavian-steal-Syndrom behandeln zu können, müssen Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten: Gefäßchirurgen, Neurologen und Radiologen beraten über die beste Therapiemöglichkeit für den Patienten. Klagt der Patient nicht oder nur über geringe Symptome, wird eine konservative Behandlung in Betracht gezogen, d.h. auf eine Operation wird verzichtet. Diese nicht-operative Behandlung setzt sich aus der medikamentösen Therapie von erhöhten Cholesterinwerten, Bluthochdruck und Diabetes zusammen. Außerdem wird der Patient dazu angehalten, seine Lebensgewohnheiten zu ändern, indem er u.a. das Rauchen aufgibt.

Im Falle von ausgeprägten Beschwerden muss über einen operativen Eingriff nachgedacht werden. Im Rahmen dieser Operation werden die verengten Blutgefäße des Patienten geweitet. Um diese Weitung zu erreichen, werden die Gefäße sozusagen abgeschält, d.h. Kalkanlagerungen werden entfernt. Anschließend wird ein Stent in den verengten Bereich eingesetzt. Der Eingriff wird in der Medizin als endovaskuläre Stentimplantation bezeichnet.

Wird die Behandlung individuell auf den Patienten zugeschnitten, gelten die Ergebnisse im Allgemeinen als gut. Ob weitere Maßnahmen außer den hier genannten notwendig sind, hängt vom gesundheitlichen Zustand des Patienten ab.

Ein gesunder Lebensstil dient der Vorbeugung

Um dem Subclavian-steal-Syndrom vorzubeugen, gilt es, sämtlichen Erkrankungen vorzubeugen, welche einen arteriellen Verschluss begünstigen können. Zur Prävention eignen sich vor allem eine gesunde, ausgewogene, fettarme Ernährung und ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung. Es sollte auf das Rauchen verzichtet werden. Übergewicht, ein erhöhter Cholesterinspiegel und hohe Blutdruckwerte sollten frühestmöglich behandelt werden.

Aktualisiert am 19. Februar 2021