Schwindel

Schwindel (med.: Vertigo) dauert i.d.R. nur einige Sekunden bis wenige Minuten an. Er sorgt für massive Gleichgewichtsstörungen und für Unwohlsein. Zu Schwindel kommen häufig Übelkeit, Benommenheit, Augenzittern und Ohrensausen, auch bekannt als Tinnitus, hinzu. Ebenso kann es parallel zum Schwindelgefühl zu Schweißausbrüchen und im schlimmsten Fall zu einem Bewusstseinsverlust kommen. In den meisten Fällen gehen Schwindelanfälle von selbst zurück.

Es wird angenommen, dass jeder Mensch in seinem Leben mindestens einmal einen mehr oder weniger starken Schwindelanfall erlebt. Während in den jungen Jahren etwa nur jeder Sechste betroffen ist, leidet jeder Dritte der über 80-Jährigen an Schwindelattacken.

Exkurs: der Geleichgewichtssinn

Drei Sinnesorgane sind im Zusammenspiel miteinander für die räumliche Orientierung und für das Gleichgewichtsgefühl zuständig: Der sogenannte Vestibularapparat, die Augen und die Tiefenrezeptoren in den Muskeln. Der Vestibularapparat im Innenohr stellt einen komplexen Verbund aus drei Bogengängen, zwei Vorhofsäcken und dem sogenannten Endolymphgang dar. Dieses Hohlraumsystem liegt zwischen der Gehörschnecke und der Trommel. Es ist mit Flüssigkeit gefüllt. Bei Bewegungen (Drehungen, Richtungsbeschleunigungen) wird diese Flüssigkeit ebenfalls in Bewegung versetzt. Durch die Bewegung der Flüssigkeit werden die Sinneszellen an den Wänden des Hohlraumsystems gereizt. Diese Reize wandern über den Gleichgewichtsnerv (med.: Nervus vestibularis) zum Gehirn. Hier kommen auch die Informationen der Augen (visuelle System) an. Diese geben Auskunft über Bewegungen des Horizonts und von Fixpunkten. Die Tiefenrezeptoren in den Muskeln (somatosensorisches System) teilen dem Gehirn wiederum u.a. mit, wenn einzelne Körperregionen wie das Kniegelenk eine Schwankung auszugleichen haben. Das Gehirn verarbeitet all diese Informationen und konstruiert den Gleichgewichtssinn bzw. die räumliche Orientierung.

Vestibulärer und nicht-vestibulärer Schwindel

Stimmen die Informationen der drei Sinnesorgane nicht miteinander überein bzw. erhält das Gehirn widersprüchliche Informationen, setzt der Gleichgewichtssinn sozusagen aus und es kommt zum Schwindelgefühl. In solch einem Fall spricht man von einem vestibulären Schwindel. Hängen die Ursachen nicht mit dem Gleichgewichtssystem, sondern mit anderen Faktoren zusammen, ist hingegen die Rede von einem nicht-vestibulären Schwindel.

Verschiedene Empfindungen von Schwindel

Nicht nur die Ursachen für Schwindel, sondern auch dessen Empfinden können unterschiedlich sein: Es wird zwischen einem Drehschwindel, einem Schwankschwindel, einem Liftschwindel und einem sogenannten Pseudo-Vertigo differenziert.

Drehschwindel – wenn sich die Umwelt dreht

Wie der Name bereits verrät, haben Betroffene beim Drehschwindel das Gefühl, dass sich die Umwelt dreht. Mit dieser Form des Schwindels gehen oft Übelkeit und Erbrechen sowie Tinnitus und eine Hörminderung einher. Ein typischer Auslöser von Drehschwindel ist ein übermäßiger Alkoholkonsum.

Schwankschwindel – wenn der Boden unter den Füßen entgleitet

Beim sogenannten Schwankschwindel haben die Betroffenen das Gefühl, dass ihnen der Boden unter den Füßen entgleitet. Der Gang ist unsicher und das Schwindelgefühl besteht ebenfalls im Stehen. Übelkeit und Erbrechen sind seltene Begleitsymptome.

Liftschwindel – ein Gefühl des Zusammensackens

Der Liftschwindel gleicht einem Gefühl des Zusammensackens. Betroffene fühlen sich wie in einem extrem schnell fahrenden Fahrstuhl. Teilweise wird das Schwindelgefühl als ein Gefühl des Fallens beschrieben.

Pseudo-Vertigo – Benommenheit und Schwarzwerden vor den Augen

Anders als bei den vorherigen Arten liegt beim Pseudo-Vertigo kein „echter“ Schwindel vor. Vielmehr klagen die Betroffenen über Benommenheit und über ein Schwarzwerden vor den Augen. Die Umgebung ist „bewegungslos“.

Ursachen für Schwindelattacken

Grundsätzlich kann es sich bei Schwindel um eine normale körperliche Reaktion oder um eine Erkrankung handeln. Zu Schwindelgefühlen aufgrund des Schutzmechanismus des Körpers (normaler Vertigo) kommt es beispielsweise in großen Höhen, bei schnellen Beschleunigungen und bei schnell wechselnden Bewegungen. Ein Beispiel hierfür ist das Stehen auf einem hohen Turm – der Körper ist nicht daran gewöhnt, sodass er dem Gehirn eine mögliche Gefahr meldet.

Ein pathologischer bzw. krankhafter Schwindel kann wiederum als Läsions- oder Reizschwindel auftreten.

Wie bereits angedeutet, wird Schwindel auch dahingehend unterschieden, ob er mit dem Gleichgewichtssystem zusammenhängt oder nicht (vestibulärer und nicht-vestibulärer Schwindel). Eine weitere Form des Schwindels ist seelisch bedingter (auch: psychogener) Vertigo.

Peripherer vestibulärer Schwindel

Je nachdem, wo im Gleichgewichtssystem die Ursache für den Schwindel liegt, wird zwischen peripheren und zentralen Schwindelformen unterschieden. Ein peripherer vestibulärer Schwindel tritt auf, wenn ein Gleichgewichtsorgan im Ohr oder der Gleichgewichtsnerv beschädigt ist. Die häufigste Form des peripheren vestibulären Schwindels bei Erwachsenen ist der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel. Bei dieser Art des Schwindels lösen sich kleine Kalksteinchen aus dem hinteren Vorhofsäckchen im Innenohr und lagern sich an der sogenannten Kuppel des Bogengangs an. Durch diese Anlagerung wird der Bogengang in seiner Funktion gestört – er reagiert überempfindlich auf Drehbeschleunigungen. Auslösend für den Schwindel sind zu schnelle Bewegungen des Kopfes zu der „erkrankten“ Seite. Risikofaktoren für die Ablösung der Kalksteinchen sind eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs, ein Schädel-Hirn-Trauma und eine längere Bettlägerigkeit. Aber auch ohne die Anlagerung der Kalksteinchen kann eine akute Entzündung des Gleichgewichtsnervs zu Schwindelgefühlen führen. Als häufiger Auslöser der Entzündung gilt eine Virusinfektion des Nervs mit Herpes-simplex-Viren.

Bei einer anderen Form des peripheren vestibulären Schwindels, dem sogenannten Morbus Menière, ist eine Ansammlung von Flüssigkeit der Auslöser für die Schwindelattacken. Die Flüssigkeit staut sich im Innenohr an. Diese Ansammlung bewirkt eine Zerstörung der Trennhäute zwischen zwei unterschiedlichen Räumen des Innenohrs. Als Folge vermischt sich die Flüssigkeit mit anderen Flüssigkeiten. Es wird angenommen, dass diese Vermischung von Endolymphe und Perilymphe zum Schwindelgefühl führt.

Zentraler vestibulärer Schwindel

Ein zentraler vestibulärer Schwindel besteht, wenn die Ursache im Gehirn (Hirnstamm, Kleinhirn, Gleichgewichtszentrum) liegt. Mögliche Auslöser sind Migräneattacken, Gefäßerkrankungen und degenerative bzw. entzündliche Erkrankungen des Gehirns. Auch Tumore und Unfälle können zentralen vestibulären Schwindel auslösen. Ebenso kommen einige Blutdruckmedikamente, bestimmte Beruhigungsmittel und einzelne Antibiotika als Auslöser infrage. Außerdem können ein übermäßiger Alkoholkonsum und der Konsum von anderen Drogen die zentrale Steuerung des Gleichgewichts stören und zu Schwindelgefühlen führen.

Erkrankungen als Ursache: nicht-vestibulärer Schwindel

Unterschiedlichste Erkrankungen und Störungen können einen nicht-vestibulären Schwindel auslösen. Zu diesen Erkrankungen gehören u.a.:

  • Lungenerkrankungen
  • Augenerkrankungen mit Sehstörungen
  • Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
  • Nervenerkrankungen
  • Vergiftungen

Darüber hinaus kann eine Unterzuckerung (niedriger Blutzuckerspiegel) in Folge einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder infolge einer ungenügenden Nahrungsaufnahme zu Schwindelanfällen führen. Weitere Ursachen für einen nicht-vestibulären Schwindel sind eine unzureichende Versorgung mit Sauerstoff, eine verminderte Flüssigkeitsaufnahme und hohes Fieber.

Der psychogene Schwindel hat seelische Ursachen

Ein psychogener Schwindel, also ein Schwindel, der seelische Ursachen hat, kann durch Ängste, Konflikte und Stress ausgelöst werden. Ein „klassisches“ Beispiel für diese Form von Schwindel ist der phobische Schwankschwindel, welcher vermehrt bei jungen Erwachsenen auftritt. Auslösende Situationen können das Halten einer Rede vor einer großen Menschenmenge, besondere soziale Anforderungen und das Betreten eines leeren Raums sein.

So stellt der Arzt die Diagnose

Um eine Diagnose stellen zu können, muss der Arzt den genauen Schwindel-Charakter kennen und weitere mögliche Symptome identifizieren. Der erste Ansprechpartner bei andauerndem Schwindel ist der Hausarzt. Dieser führt zunächst ein Anamnesegespräch mit dem Patienten. In diesem Gespräch erkundigt er sich nach dem ersten Auftreten des Schwindels und danach, um welche Form des Schwindels es sich handelt. Außerdem erörtert er, ob der Schwindel durchgängig besteht oder, ob er häufiger auftritt und wenn ja, wie oft. Wichtig sind auch die den Schwindel auslösenden Situationen. Darüber hinaus erkundigt sich der Mediziner nach sonstigen körperlichen Veränderungen, die der Patient eventuell gar nicht im Zusammenhang mit den Schwindelattacken sieht.

Es folgt eine körperliche Untersuchung. Zu dieser zählen u.a. das Messen des Blutdrucks und des Pulses, das Anfertigen eines Elektrokardiogramms (EKG) und eine Blutuntersuchung.

Sollten diese Untersuchungen nicht ausreichen, um eine Diagnose stellen zu können, überweist der Allgemeinmediziner den Patienten an einen Facharzt. Welcher Facharzt das im Einzelfall ist, hängt maßgeblich von der vermuteten Ursache ab. Infrage kommen sowohl ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt und ein Augenarzt als auch ein Neurologe und ein Orthopäde. Auch ein Internist und ein Psychiater bzw. ein Psychotherapeut können zur Diagnosestellung herangezogen werden. Ebenfalls ist es möglich, dass der Hausarzt den Patienten an ein sogenanntes Schwindel-Zentrum überweist. In solchen Einrichtungen arbeiten Mediziner verschiedener Fachdisziplinen eng zusammen.

Weitere Untersuchungen

Welche weiteren Untersuchungen durchgeführt werden, hängt davon ab, welche Ursache der Facharzt für den Schwindel vermutet. Sowohl ein Sehtest als auch ein Hörtest bzw. eine Untersuchung der Ohren kann sinnvoll sein. Mit dem sogenannten Romberg-Test lassen sich die motorischen Gleichgewichtsfähigkeiten des Betroffenen überprüfen. Mittels Kipptischuntersuchung wird festgestellt, wie sich eine neue Lage auf den Blutdruck des Patienten auswirkt. Weitere mögliche Untersuchungen sind eine Ultraschalluntersuchung der Arterien, ein Ultraschall des Herzens und eine Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule. Außerdem kann die Reizverarbeitung im Gehirn überprüft werden und es kann eine Langzeitblutdruckmessung vorgenommen werden. Besteht der Verdacht auf eine dem Schwindel zugrundeliegende Erkrankung (beispielsweise eines Organs), können weitere bildgebende Verfahren notwendig sein.

So wird Vertigo behandelt

Je nachdem, welche Form von Vertigo vorliegt und welche Ursachen bestehen, umfasst die Therapie verschiedene Maßnahmen: Sowohl Medikamente als auch eine Psychotherapie, eine Physiotherapie und eine Operation kommen infrage.

Bei einer Reisekrankheit bzw. bei Schwindelgefühlen während des Autofahrens ist eine Behandlung nicht zwangsläufig notwendig. In solch einem Fall kann eine Besserung bereits eintreten, indem sich der oder die Betroffene wiederholt den auslösenden Reizen aussetzt – der Körper gewöhnt sich allmählich an die ungewohnten Bewegungen. Bei Seekrankheit helfen sogenannte Antivertiginosa. Diese Medikamente reduzieren das Schwindelgefühl und die damit einhergehende Übelkeit. Zu den Antivertiginosa zählen u.a. Antihistaminika, Antidopaminergika und Anticholinergika. Diese Mittel können auch zum Einsatz kommen, wenn eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs der Auslöser für den Schwindel ist. Allerdings werden mit diesen Substanzen nur die Symptome bekämpft, d.h. die Ursachen bleiben weiterhin bestehen. Es muss außerdem darauf hingewiesen werden, dass Antivertiginosa völlig ungeeignet für die Behandlung einiger Vertigo-Arten sind. Zudem eignen sie sich nicht für eine Dauerbehandlung. Je nach dem Auslöser für den Schwindel, kommen dann andere Medikamente zum Einsatz.

Bei einer vestibulären Migräne schaffen Mittel zur Migränevorbeugung und gegen Migräneanfälle Abhilfe. Vor allem Betablocker wie Metoprololsuccinat sind sehr wirksam. Diese sind ein halbes Jahr lang einzunehmen. Allerdings sind mit derartigen Medikamenten auch eine Menge Nebenwirkungen verbunden.

Weitere Therapiemaßnahmen

Bei anhaltendem Drehschwindel, bei einem benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel und bei einem entzündeten Gleichgewichtsnerv haben sich physiotherapeutische Maßnahmen wie krankengymnastische Übungen bewährt. Diese lösen Haltungsunsicherheiten und fördern Korrekturbewegungen. Die Krankengymnastik verbessert die Gleichgewichtsreaktionen des Patienten, indem Gang- und Standunsicherheiten provoziert und angemessen bewältigt werden.

Eine Operation kann in Erwägung gezogen werden, wenn die Schwindelattacken häufig und über mehrere Jahre auftreten und, wenn sie von einer eingeschränkten Hörfähigkeit begleitet werden. Im Rahmen eines solchen Eingriffs wird beispielsweise das betroffene Gleichgewichtsorgan entfernt. Eine Operation sollte aber nur als letzte Alternative in Betracht gezogen werden – die konservative Therapie und die Prognose bei Schwindel gelten i.d.R. als sehr gut!

Ein gesundes Leben schützt vor Schwindelattacken

Einigen Ursachen von Schwindel kann man gezielt vorbeugen und zwar, indem man eine gesunde Lebensweise pflegt: Eine gesunde und ausgewogene Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse sowie mit vielen Vollkornprodukten schützt vor Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck. Zudem sollte auf übermäßig viel Alkohol und auf den Konsum von Tabak verzichtet werden. Täglich sollten etwa zwei Liter Wasser aufgenommen werden und es gilt, sich mindestens dreimal pro Woche eine halbe Stunde lang sportlich zu betätigen. Auf diese Weise wird Übergewicht vermieden. Mahlzeiten sollten regelmäßig eingenommen werden. So wird einer Unterzuckerung vorgebeugt.

Viele Menschen unterschätzen zudem die Wirkung von ausreichend viel Schlaf. Das Schlafbedürfnis ist zwar sehr individuell, doch es sollte darauf geachtet werden, mindestens sechs und nicht länger als zehn Stunden täglich zu schlafen. Um Stress abzubauen, eignen sich Entspannungstechniken wie Yoga, Autogenes Training und die Progressive Muskelrelaxation.

Übungen, die den Gleichgewichtssinn trainieren

Darüber hinaus kann man Übungen in seinen Alltag integrieren, die das Gleichgewicht trainieren. Diese Übungen beugen nicht nur Schwindel vor, sondern kräftigen auch die tiefgelegene Muskulatur. Hierdurch wird die Haltung verbessert, was vor orthopädischen Problemen schützt. Die folgenden Übungen gelten als äußerst empfehlenswert. Sie sind leicht zu erlernen und können ganz einfach in den Alltag eingebaut werden:

  • auf einem Bein balancieren (z.B. während des Zähneputzens oder beim Schuhebinden)
  • mit offenen Augen langsam im Kreis drehen
  • schmale Oberflächen wie einen Bordstein nutzen, um auf diesen zu balancieren
Aktualisiert am 18. Februar 2021