Reisekrankheit

Die Reisekrankheit wird auch als Kinetose bezeichnet. Es handelt sich um ein ungefährliches, weit verbreitetes Phänomen, das eine starke Belastung für die Betroffenen darstellen kann. Der Begriff „Kinetose“ entstammt dem Griechischen und bedeutet so viel wie „bewegen“ – es ist der Bewegungsreiz, welcher den Betroffenen zu schaffen macht. Die Reisekrankheit kann sowohl im Auto auf kurvigen Bergstrecken als auch in einem rüttelnden Flugzeug sowie in anderen Transportmitteln entstehen. Das grundlegende Problem für Patienten mit Kinetose besteht in der Durcheinanderbringung des Gleichgewichtssinns durch die Bewegung. Es wird zwischen verschiedenen Varianten der „Krankheit“ unterschieden:

  • Die Seekrankheit ist sehr weitverbreitet und zeigt sich auf Wasserfahrzeugen (z.B. Schiffe).
  • Demgegenüber steht die Landkrankheit. Diese entwickelt sich bei Personen, die von einer Seereise zurückkommen und wieder festen Boden unter den Füßen spüren. Auch einige Menschen ohne Reisekrankheit kennen die Merkmale. Bei ihnen vergehen sie jedoch schnell wieder. Ein solches Merkmal ist, dass der Steg beim Anlegen zu schwanken scheint. Dieses Phänomen tritt umso eher auf, je länger man sich auf dem Wasser befand.
  • Auch bei Astronauten kann sich eine Kinetose entwickeln und zwar aufgrund der fehlenden Schwerkraft. Das Fehlen der Schwerkraft bewirkt Schwindelgefühle und Übelkeit. Diese Form der Reisekrankheit wird als Raumkrankheit
  • Von einer Flugkrankheit ist die Rede, wenn Flugreisen zu Übelkeit führen. Nicht selten geht mit dieser Form auch eine Flugangst (Aviophobie) einher. Dabei verstärken sich die beiden Empfindungen häufig gegenseitig.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer sogenannten Pseudo-Kinetose. Von dieser ist die Rede, wenn die Reisekrankheit durch den Besuch eines 3D-Kinos, durch ein Computerspiel oder durch einen Flugsimulator verursacht wird. In diesen Situationen bewegt sich die betroffene Person zwar nicht (fort), der visuelle Eindruck kann aber dennoch zu Übelkeit usw. führen.

Personen sind unterschiedlich anfällig für die Kinetose-auslösenden Reize

Die Stärke des Kinetose-auslösenden Reizes variiert von Person zu Person und Frauen sind häufiger betroffen als Männer. In der Medizin nimmt man an, dass der Geschlechterunterschied durch den Hormonhaushalt bedingt ist. Ein Faktor der darauf hinweist ist, dass Frauen, wenn sie schwanger sind oder ihre Regelblutung haben, schneller über Symptome der Kinetose klagen als wenn sie sich nicht in einer dieser Phasen befinden.

Vor allem kleine Kinder sind betroffen

Auch, wenn ein Mensch noch nie an der Kinetose gelitten hat, kann er jederzeit eine Reisekrankheit aufweisen. Am anfälligsten für die Kinetose sind Kinder im Alter zwischen zwei und 12 Jahren. Der Grund ist, dass in diesem Alter i.d.R. noch nicht allzu viele Bewegungsmodelle bestehen – den Kindern mangelt es einfach an Bewegungserfahrungen. Bei Babys ist wiederum der Gleichgewichtssinn noch nicht stark ausgeprägt, sodass es aufgrund von Bewegungsreizen zu Beschwerden kommen kann. Die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Reisekrankheit sinkt mit dem steigenden Alter.

Übrigens: Auch Tiere können reiskrank sein, wie so manch ein Hundebesitzer weiß – dem einen oder anderen Hund wird während der Autofahrt übel. Und Fische können seekrank werden, wenn der Besitzer sie in einem schwankenden Aquarium transportiert.

Übelkeit, Blässe, Schwindelgefühle und weitere Symptome

Die klassischen Symptome der Reisekrankheit sind Übelkeit, Blässe, Schwindelgefühle, kalte Schweißausbrüche und Kopfschmerzen. Darüber hinaus können, je nach Schwere der Ausprägung, weitere Beschwerden auftreten. Je nach Schweregrad wird die Reisekrankheit in eine leichte, eine mittlere und eine schwere Form unterteilt.

Bei der leichten Form können eine starke Müdigkeit und eine Antriebsarmut zu den oben genannten Symptomen hinzukommen. Außerdem schlucken die Betroffenen ständig und es mangelt ihnen an Appetit.

Bei der mittleren Kinetose sind die erwähnten Merkmale meist ausgeprägter und es kann zu Herzrasen, Erbrechen und einer beschleunigten Atmung (Hyperventilation) kommen.

Die schwere Form der Kinetose ist selten und betrifft überwiegend Menschen auf hoher See. Die folgenden Symptome werden von einem ausgeprägten Krankheitsgefühl begleitet und dauern, je nach Länge der Seereise, mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen an:

  • Koordinationsstörungen
  • starkes Erbrechen und die Entwicklung von Ekel gegenüber Lebensmitteln
  • Kreislaufkollaps

Durch das starke Erbrechen im Rahmen der schweren Reisekrankheit kann es zu einem Flüssigkeits- und Elektrolytmangel kommen, sodass die „Krankheit“ einen schweren Verlauf nehmen kann. Vor allem, wenn der Kreislauf durch Vorerkrankungen wie eine Herz-Kreislauf-Erkrankung geschwächt ist, sollte umgehend ein Arzt verständigt werden.

Die Symptome lassen nach, sobald der Reiz aussetzt

Die Beschwerden der Kinetose verschwinden, sobald der oder die Betroffene sich nicht mehr im Verkehrsmittel fortbewegt. Kennzeichnend ist außerdem, dass das Erbrechen kein Nachlassen der Übelkeit bewirkt. Hierin liegt ein grundlegender Unterschied zu anderen Erkrankungen, mit denen Übelkeit einhergeht (beispielsweise eine Magen-Darm-Infektion). Bei diesen hat das Erbrechen die Funktion, den Erreger der Übelkeit aus dem Körper hinauszubefördern.

Ungewohnte Bewegungen als Ursache

Als Auslöser der verschiedenen Kinetose-Formen gelten ungewohnte Beschleunigungen und Bewegungen. Diese treten u.a. im Flugzeug, auf See und auf kurvenreichen Autofahrten auf. Die ungewohnten Bewegungen wirken sich aufgrund von verschiedenen Reizen auf das Gleichgewichtsorgan im Innenohr aus. Das bedeutet, dass das Gehirn die ungewohnte Bewegung nicht einordnen kann – verfolgt man die Bewegungsänderungen nicht mit den Augen, werden sie als Fehler registriert. Die Folge sind die typischen Symptome.

Das Zusammenspiel des Gleichgewichtsorgans, der optischen Wahrnehmung, der Rezeptoren der Muskeln und der Nerven ermöglicht den aufrechten Gang des Menschen. Dieses Zusammenspiel und (persönliche) Bewegungserfahrungen konstituieren Bewegungsmodelle, welche die Kontrolle sowie die schnelle (unbewusste) Auswertung von diversen Bewegungen ermöglichen. Das Gehirn ist beispielsweise dazu in der Lage, das Modell „Stillstehen“ zu erkennen, wenn das Gleichgewichtsorgan eine bestimmte Lage aufweist, die Information „keine Bewegung“ vorliegt und zugleich eine bestimmte Anspannung in der Beinmuskulatur besteht.

Bei ungewohnten Bewegungen ist das Gehirn jedoch durcheinander. Während des Autofahrens registrieren Muskelrezeptoren und Nerven beispielsweise keine Bewegung und doch melden die Augen eine schnelle Fortbewegung. Das kann das Gehirn noch verarbeiten – vor allem, weil die meisten Menschen an das Autofahren gewöhnt sind. Meldet das Gleichgewichtsorgan durch seine Lage jedoch zusätzlich Steigungen, Kurven u.Ä., widerspricht das den ersten beiden Meldungen. Es kommt zu einer Flut von nicht-übereinstimmenden Informationen – das Gehirn ist überlastet und stuft diese Informationen als Gefahr ein. Es kommt zur Ausschüttung von Stresshormonen, welche die typischen Beschwerden der Reisekrankheit bedingen können.

Die Kinetose – eine natürliche Reaktion auf unbekannte Einflüsse

Somit ist die Kinetose keine Krankheit im eigentlichen Sinn. Vielmehr ist sie eine völlig natürliche Reaktion auf dem Organismus unbekannte Einflüsse. Psychische Faktoren wie eine ängstliche Erwartungshaltung können die Kinetose zusätzlich verstärken. Wird das Gehirn regelmäßig oder dauerhaft solchen ungewohnten Einflüssen ausgesetzt, konstruiert es ein neues Bewegungsmodell, sodass sich der Körper an die Bewegungen gewöhnt. Darüber hinaus lässt sich das Gehirn „überlisten“ und der Reisekrankheit somit vorbeugen, indem man aktiv eingreift. Im Falle des Autofahrens bedeutet das, dass man selber das Steuer übernimmt.

Die Diagnose ist leicht zu stellen

Da die Symptome in bestimmten Situationen wie beim Autofahren, auf See oder im Flugzeug auftreten und wieder nachlassen, sobald die Situationen beendet sind, gilt die Diagnose der Kinetose als überaus simpel. Betroffene suchen den Arzt i.d.R. erst auf, wenn eine schwere Form der Reisekrankheit vorliegt. Das liegt daran, dass sie die Beschwerden bei der leichten und der mittleren Form selbst einordnen können.

Weist eine Person die typischen Symptome auf, kann der Arzt die genauen Hintergründe abklären und die sichere Diagnose „Reisekrankheit“ stellen bzw. andere Ursachen für die Symptome ausschließen. Vor allem bei langen Reisen und bei Reisen in tropische Länder sollte man einen Arzt aufsuchen, um andere, möglicherweise schwerwiegende Erkrankungen als Ursache für die Beschwerden auszuschließen.

Um die Diagnose stellen zu können, wird sich der Arzt nach den genauen Umständen, in denen die Symptome auftreten, erkundigen. Außerdem fragt er den Patienten nach der Art, dem Ausmaß und der Dauer der Beschwerden. Er erkundigt sich auch nach möglichen Vorerkrankungen. Zusätzlich kann eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden und der Arzt kann dem Patienten Blut abnehmen, um andere Erkrankungen ausschließen zu können.

So können sich Betroffene selber helfen

Wenn eine Person an der Reisekrankheit leidet, sollte sie am besten bereits bei den ersten Anzeichen wie einem verstärkten Speichelfluss und leichten Klopfschmerzen entsprechend handeln: Um Schwindelgefühle, Übelkeit und weitere Symptome zu bekämpfen, sollte der Blick aus dem Fahrzeug und in die Ferne gerichtet werden. So bietet man seinen Augen eine feste Orientierung. Darüber hinaus gibt es heutzutage spezielle Brillen, die mit einem beweglichen Balken ausgestattet sind. Dieser Balken fungiert als künstlicher Horizont.

Da das Lesen oder die Beschäftigung mit dem Handy die Beschwerden verstärken kann, sollte man während der Fahrt auf solche Aktivitäten verzichten. Wer sich bereits schlecht fühlt, kann sich flach auf den Rücken legen und die Augen schließen. Allgemein empfiehlt es sich, auf einer Reise viel zu schlafen, da der Gleichgewichtssinn während des Schlafs weitestgehend ausgeschaltet ist. Außerdem entfallen so die visuellen Eindrücke.

Neben all diesen Maßnahmen gibt es einige Medikamente, die gegen die Reisekrankheit eingesetzt werden können. Zu diesen Mitteln zählen beispielsweise Cinnarizin, Meclozin und Scopolamin. Diese Wirkstoffe sind sowohl als Tabletten als auch als Kaugummis und als Pflaster erhältlich. Da viele der Reisekrankheit-Medikamente sehr müde und schläfrig machen als auch die Reaktionen deutlich verlangsamen, sollte man nach der Einnahme nicht eigenständig ein Fahrzeug führen! Eine mögliche Alternative zu den chemischen Substanzen sind pflanzliche Heilmittel wie Ingwer: Die Knollen lindern die Übelkeit.

Tipps für Personen, die an der Reisekrankheit leiden

Wer zur Kinetose neigt, sollte bereits vor der Reise entsprechende Maßnahmen einleiten, um der Übelkeit und anderen Symptomen vorzubeugen. Es empfiehlt sich beispielsweise, vor dem Reiseantritt eine leichte Mahlzeit zu sich zu nehmen, die kaum Fett hat. Außerdem sollte man bereits einen Tag vor der Reise keinen Alkohol trinken. Auf große Mengen Kaffee sollte ebenfalls verzichtet werden. Im Bus und im Zug sollte ein Platz gewählt werden, der in Fahrtrichtung ausgerichtet ist. Am besten, man sucht sich einen Fensterplatz, um den Blick, wenn nötig, in die Ferne richten zu können. Außerdem sollte möglichst ein Platz in der Mitte des Verkehrsmittels gewählt werden. Hier sind die Pendelbewegungen am geringsten. Im Flugzeug macht es wiederum Sinn, auf der Höhe der Tragflächen zu sitzen. Ein Platz am Gang ist meist die bessere Wahl, da man so problemlos zwischendurch ein paar Schritte gehen kann.

Lässt es sich einrichten, sollten betroffene Personen bei Autofahrten am besten selber fahren. Der Grund liegt darin, dass man so seinen Blick stets auf die Straße konzentriert – während dem Beifahrer schlecht werden kann, ist das beim Fahrer i.d.R. nicht der Fall. Medikamente sollten eine halbe Stunde bis Stunde vor Reiseantritt eingenommen werden. Wie bereits erwähnt, sollte dann kein Auto gesteuert werden! Am besten, man erkundigt sich beim Arzt oder Apotheker über das geeignetste Mittel.

Aktualisiert am 17. Februar 2021