Physiotherapie

Nach Unfällen, Krankheit, aber auch zur Schmerzlinderung bei chronischen Erkrankungen, sowie zur Vorbeugung von Verletzungen kann die Physiotherapie angewendet werden. Die speziell ausgebildeten Physiotherapeuten arbeiten gemeinsam mit dem Patienten zur Erhaltung, Förderung, Wiederherstellung und Verbesserung von Bewegungsfunktionen. Umgangssprachlich ist bis heute auch der Begriff der „Krankengymnastik“ für die physiotherapeutische Behandlung geläufig. Seit 1994 ist der international übliche Begriff „Physiotherapie“ allerdings auch in Deutschland die Norm. Die Begriffsänderung ist mit einer Änderung des Berufsrechts einhergegangen. In Deutschland gehört der Beruf des Physiotherapeuten zu den sogenannten Gesundheitsfachberufen, die früher Heilhilfsberufe genannt wurden. Ob eine physiotherapeutische Behandlung notwendig ist, entscheidet der Arzt. Im Bedarfsfall stellt dieser ein entsprechendes Rezept aus und die Behandlung findet ambulant statt. Nach Operationen oder Verletzungen mit Krankenhausaufenthalt kann der Heilungsprozess auch im Krankenhaus von einem Physiotherapeuten begleitet werden.

Wie funktioniert Physiotherapie?

Physiotherapie zielt darauf ab, die Bewegungs- und Funktionsfähigkeit des Körpers zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen. Um diese übergeordneten Ziele zu erreichen, legt der Physiotherapeut gemeinsam mit dem Patienten genau formulierte Nah- und Fernziele fest, nach denen gestrebt wird. Die Behandlung ist an die körperlichen und kognitiven Gegebenheiten des Patienten angepasst und hängt auch von seiner Eigenmotivation ab, da bei der Physiotherapie oft auch der Patient selbst tätig werden muss.

Ein mögliches Nahziel etwa nach einem operativen Eingriff an den Bandscheiben kann sein, die Schmerzen zu linden und die Rückenmuskulatur zu stärken, um einem eventuellen Rückfall vorzubeugen. Langfristig soll der Patient dadurch beschwerdefrei werden, um Beruf und Freizeit wieder meistern zu können. Neben dem Fokus auf die Stärkung der Muskulatur kann es infolge eines Schlaganfalls Ziel sein, die Koordination und den Gleichgewichtssinn zu verbessern, um wieder mehr Selbstständigkeit im Alltag zu erlangen. Als Fernziel bedeutet dies, die Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Bei chronischen neurologischen Erkrankungen wird die Physiotherapie oft begleitend eingesetzt, um einerseits akute Schmerzen und Verspannungen durch Massagen und andere Behandlungsmethoden zu lindern und um andererseits mit speziellen Übungen, den Gleichgewichtssinn zu schärfen und die Muskulatur zu stärken. Dadurch kann die Physiotherapie beispielsweise Betroffenen von Morbus Parkinson und multipler Sklerose helfen.

Vorbeugend kann die Physiotherapie eingesetzt werden, um Verletzungen oder Krankheiten durch erste Anzeichen von Haltungsschäden zu vermeiden. Haltungsschäden sind häufig bedingt durch ungleichmäßige oder unzureichende Forderung des Muskelsystems. Die Folge sind sogenannte „Muskeldysbalancen“, die zu Nacken- und Rückenschmerzen führen können. Tätigkeiten, die ausschließlich im Sitzen durchgeführt werden, sowie Bewegungsmangel in Beruf und Freizeit sind häufig die Ursache. Maßnahmen wie die Rückenschule können zu einer physiologisch korrekten Haltung beitragen, die Muskulatur stärken und so Erkrankungen wie einem Bandscheibenvorfall vorbeugen.

Mögliche Behandlungstechniken

Bei der Physiotherapie werden grob zwei Therapieformen unterschieden:

  • Bewegungstherapie
  • Physikalische Therapie

Bewegungstherapie

Der Begriff der Bewegungstherapie wurde früher unter dem Begriff „Krankengymnastik“ zusammengefasst. Diese Bezeichnung gilt jedoch nicht mehr als zeitgemäß, nicht nur, da zur Bewegungstherapie mehr als nur gymnastische Übungen zählen, sondern vor allem, da diese Therapieform nicht nur infolge von Krankheit eingesetzt wird, sondern auch der Prävention dienen kann.

Folgende Verfahren werden unter anderem der Bewegungstherapie zugerechnet:

  • Therapie nach Bobath
  • Therapie nach Vojta
  • Therapie nach Schroth
  • Therapie am Gerät
  • CMD-Physiotherapie
  • Rückentraining und Rückenschule
  • Gangschulung und Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF)
  • Atemtherapie
  • manuelle Therapie
  • Sportphysiotherapie

Therapie nach Bobath

Benannt nach der Physiotherapeutin Bertha Bobath und ihrem Ehemann, dem Neurologen Karel Bobath, strebt die Therapie nach Bobath danach, gestörte Bewegungsabläufe zu behandeln. Bei Kindern geht es darum, die natürlichen Bewegungsabläufe auch im Alltag zu fördern. Dementsprechend werden auch die Eltern dazu angeleitet, das Kind richtig zu halten, zu heben oder hinzulegen. Im Erwachsenenbereich wird die Therapie nach Bobath vor allem bei neurologischen Krankheiten wie Morbus Parkinson oder nach einem Schlaganfall eingesetzt.

Therapie nach Vojta

Die Therapie nach Vojta geht auf den Neurologen Václav Vojta zurück. Diese Behandlung macht es sich zunutze, dass bestimmte angeborene Bewegungsmuster in Gang gesetzt werden, wenn die richtigen Reizpunkte am Körper stimuliert werden. So können scheinbar verlorengegangen Bewegungsmuster wieder erlernt werden.

Therapie nach Schroth

Verformungen der Wirbelsäule (Skoliose) sollen mithilfe der Therapie nach Schroth gestoppt werden. Dazu wird die Muskulatur sowohl gedehnt, als auch gekräftigt, um eine aufrechte, physiologisch korrekte Haltung zu fördern.

Therapie am Gerät

Die gerätegestützte Therapie nutzt beispielsweise Seilzüge und Fahrradergometer zur Förderung von Beweglichkeit, Muskelkraft und -ausdauer, sowie zur Verbesserung der Koordination.

CMD-Physiotherpie

Die Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) beschreibt eine Störung der Kiefergelenke, die zu Beschwerden beim Kauen, aber auch zu Kopf- und Rückenschmerzen, sowie zu Verspannungen, Zähneknirschen oder Ohrgeräuschen (Tinnitus) führen kann. Die CMD-Physiotherapie ist speziell darauf ausgelegt, die gleichnamige Krankheit zu behandeln.

Rückentraining und Rückenschule

Mit speziellen Übungen soll beim Rückentraining die Kraft und Beweglichkeit des Rückens erhalten und verbessert werden. Das ganzheitliche, aktive Programm der Rückenschule leitet die Kursteilnehmer dazu an, ihren Rücken durch die richtige Haltung und bestimmte Übungen gesund zu halten. Das multimodale, mehrstufige Programm trägt so dazu bei, Rückenschmerzen zu lindern und in Zukunft zu verhindern.

Gangschulung und Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF)

Diese Behandlungsform wird vor allem zur Sturzprävention bei älteren Menschen eingesetzt. Darüber hinaus dient PNF zur Behandlung von neurologischen Krankheiten wie Morbus Parkinson, sowie zur Behandlung nach einem Schlaganfall. PNF steht für Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation und soll die Wahrnehmung von Bewegungen und Körperhaltungen (Propriozeption) verbessern, sowie das Zusammenspiel von Muskeln und Nerven (neuromuskulär) optimieren. So sollen alltägliche Tätigkeiten wie Treppensteigen, Gehen oder Stehen erleichtert werden.

Atemtherapie

Die Atemtherapie wird nicht nur bei Erkrankungen der Atemwege wie Asthma bronchiale eingesetzt, sondern verbessert ganz allgemein die Sauerstoffversorgung des Körpers, wodurch die Betroffenen mehr Energie im Alltag bekommen, wodurch auch Krebspatienten (v.a. Lungenkrebs) von dieser Behandlungsform profitieren.

Manuelle Therapie

Bestimmte Handgriff- und Mobilisationstechniken sollen Funktionsstörungen des Bewegungsapparats beheben. Die manuelle Therapie wird unter anderem nach Sportverletzungen und bei Verspannungen eingesetzt.

Sportphysiotherapie

In erster Linie dient die Sportphysiotherapie der Betreuung von Sportlern. Sportverletzungen soll einerseits vorgebeugt werden, andererseits dient die Sportphysiotherapie der Behandlung von Sportverletzungen, wenn sie auftreten. Richtiges Aufwärmen, Dehnen und andere Übungen sind wichtige Bestandteile.

Physikalische Therapie

Neben der Bewegungstherapie kann auch die physikalische Therapie zum Einsatz kommen. Sie beinhaltet folgende Behandlungsformen:

  • Massage
  • Elektrotherapie
  • Thermotherapie
  • Hydrotherapie
  • Inhalationstherapie

Massage

Mit speziellen Techniken wie Kneten, Streichen, Klopfen oder Vibrieren wird die Durchblutung der Muskeln angeregt, um Schmerzen zu lindern und Muskelverspannungen zu lösen. Folgende Formen können angewendet werden:

  • klassische Massage
  • Reflexzonenmassage
  • Lymphdrainage

Hydrotherapie

Zur bekanntesten Form der Hydrotherapie gehört sicherlich das Kneipp-Bad, das auch als Wassertreten bekannt ist. Der Patient watet hierbei durch kaltes Wasser. Grundsätzlich kann im Zuge der Hydrotherapie sowohl kaltes, als auch warmes Wasser zum Einsatz kommen. Mitunter wird die Hydrotherapie um bewegungstherapeutische Maßnahmen oder die Elektrotherapie ergänzt. Das Wasser kann in Form von Bädern, Güssen oder Wickeln angewendet werden. Die Hydrotherapie strebt danach Schmerzen zu lindern, das Kreislaufsystem anzukurbeln oder den Patienten zu entspannen.

Thermotherapie

Sowohl die Kälte-, als auch die Wärmetherapie gehören zur Thermotherapie. Wärmende Packungen, sowie Heißluft oder warme Bäder werden zur Schmerztherapie, sowie zur Behandlung von Durchblutungsstörungen genutzt. Bei der Kältetherapie werden Eiskompressen, Kaltgas, Kaltluft oder die Eismassage genutzt, um die Aktivität der Nerven herabzusetzen und so Schmerzen und Schwellungen zu lindern. Die Kältetherapie wird vor allem nach Sportverletzungen eingesetzt.

Inhalationstherapie

Mithilfe eines speziellen Geräts zur Luftzerstäubung, etwa einem Ultraschallvernebler, werden Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale oder Mukoviszidose behandelt. Das Gerät wird mit natürlichen Substanzen wie Kamille oder Kochsalz zur Inhalation angereichert, daneben können bestimmte Medikamente oder Lösungen zum Einsatz kommen.

Anwendungsgebiete der Physiotherapie

Die Physiotherapie kann bei einer Reihe von Beschwerden erfolgreich eingesetzt werden. Darüber hinaus kann die Physiotherapie zur Prävention von Verletzungen und Krankheiten genutzt werden. Häufig wird die Physiotherapie begleitend zu anderen Heilungsverfahren wie etwa einer medikamentösen Behandlung eingesetzt, zum Beispiel bei:

  • Frakturen
  • Zerrungen
  • degenerativen Erkrankungen der Gelenke (z.B. Arthrose)
  • Haltungsschäden (z.B. Skoliose)
  • Amputationen
  • Sturzprävention im Alter
  • entzündliche Gelenkerkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis)
  • neurologische Beschwerden und Krankheiten (z.B. Morbus Parkinson, Multiple Sklerose)
  • Schlaganfall
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Entwicklungsstörungen (z.B. Autismus bei Kindern)
  • Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma bronchiale, Lungenentzündung, Mukoviszidose)
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Magen-Darm-Erkrankungen
  • psychische Krankheiten (z.B. Depression)
  • Inkontinenz
  • Schwangerschaft
  • Lähmungen

Mögliche Risiken der Physiotherapie

Werden die Übungen korrekt ausgeführt, birgt die Physiotherapie kaum Risiken. Unsauber oder falsch ausgeführte Übungen können jedoch Blutergüsse, Entzündungen und andere Verletzungen zur Folge haben. Zur Beschleunigung des Heilungsprozesses sollten die erlernten Übungen auch regelmäßig eigenständig vom Patienten durchgeführt werden. Mitunter kann es durch die vermehrte Belastung einzelner Muskelgruppen zum Muskelkater kommen, der jedoch nach wenigen Tagen von allein abebbt. Schmerzen sollten nicht verspürt werden. Andernfalls ist ein Arzt aufzusuchen.

Aktualisiert am 17. Februar 2021