Parodontitis

Die Parodontitis (veraltet auch: Parodontose) ist eine Entzündung des Zahnhalteapparats. Dieser wird auch als Zahnbett oder als Parodontium bezeichnet. Der Zahnhalteapparat besteht aus dem Zahnfleisch, dem Wurzelzement, der Wurzelhaut und den Kieferknochen.

Bei dem Wurzelzement handelt es sich um eine dünne Mineralschicht, welche die Zahnwurzel umgibt. Der Zahn ist mit seiner Wurzel in der Alveole verankert. Die Alveole ist eine Art knöchernes Fach. Zwischen dem sogenannten Avleolarknochen und der Zahnwurzel befindet sich die Wurzelhaut. Diese stellt eine Art Bindegewebe dar, dessen Fasern, Sharpey-Fasern genannt, den Zahn sozusagen in der Alveole aufhängen. Daraus lässt sich schließen, dass der Zahn nicht fest in dem knöchernen Fach sitzt. Und das hat auch seinen Grund, denn durch die „lockere“ Aufhängung kann er sich verschiedenen Belastungen wie etwa dem Kauen „anpassen“ bzw. diese Belastungen aushalten. Nach außen hin wird der Zahnhalteapparat durch das Zahnfleisch abgeschlossen. Zwischen diesem und dem aufgehängten Zahn liegt wiederum die Zahnfleischfurche.

Verschiedene Formen der Parodontitis

Heutzutage wird die Parodontitis nicht mehr nur zu den Munderkrankungen, sondern zu den allgemeinen Entzündungskrankheiten gezählt. Je nach Ursache, Erscheinungsbild und Verlauf wird zwischen verschiedenen Formen der Parodontitis unterschieden.

Die chronische Parodontitis

Die chronische Parodontitis stellt die häufigste Form dar. Die entzündliche, bakteriell bedingte Erkrankung des Zahnhalteapparates tritt in Schüben auf und schreitet langsam fort. Vor allem Erwachsene sind betroffen. Prinzipiell kann die Entzündung aber in jedem Lebensalter auftreten. Die chronische Parodontitis wird nach ihrem Schweregrad (leicht, mittel, schwer) unterschieden. Außerdem wird sie in die generalisierte und die lokalisierte Parodontitis unterteilt: Von einer generalisierten Parodontitis ist die Rede, wenn mehr als 30 Prozent des Paradonts von der Entzündung betroffen sind. Demnach besteht eine lokalisierte Parodontitis, wenn weniger als 30 Prozent des Paradonts betroffen sind.

Die aggressive Parodontitis

Diese Form tritt deutlich seltener auf. Wird sie nicht rechtzeitig behandelt, kann sich der Zahnhalteapparat abbauen, sodass die Zähne ausfallen. Auch diese Form wird in eine lokalisierte und eine generalisierte Parodontitis unterteilt. Von der lokalisierten Form sind überwiegend Jugendliche betroffen. Sie bezieht sich vor allem auf die Schneidezähne sowie auf die vorderen Backenzähne. Wiederum betrifft die generalisierte Form mindestens drei Zähne, die bei der lokalisierten Form nicht betroffen sind. Die generalisierte Verlaufsform beginnt i.d.R. vor dem 35. Lebensjahr.

Die apikale Parodontitis

Bei dieser Form geht die Entzündung von der Zahnwurzelspitze und deren umliegendem Gewebe aus. Der Zahn wird innen vom Zahnmark ausgefüllt. Dieses ist mit Blutgefäßen und Nerven ausgestattet. Zudem ist das Zahnmark mit anderen Nerven- und Gefäßsystemen sowie mit dem Zahnhalteapparat verbunden. Entzündet es sich durch Karies, kann die Entzündung über die Verbindung zu dem Zahnhalteapparat auf diesen übergreifen. Es kann zur Auflösung des Kieferknochens kommen und Zysten können entstehen. Es wird zwischen einer akuten und einer chronischen apikalen Parodontitis unterschieden.

Eine Parodontitis kann völlig schmerzlos verlaufen

Mit der Parodontitis gehen meist zunächst keine Beschwerden einher. Vor allem bei einem chronischen Verlauf sind Patienten völlig schmerzlos. Es gibt keine klassischen Parodontitis-Symptome aber einige Merkmale, die auf die Entzündung hinweisen können. Zu diesen Anzeichen zählen:

  • Auffälliger Mundgeruch
  • Zahnfleischbluten
  • Lockere Zähne und Zahnfehlstellungen
  • Unangenehmer Geschmack
  • Angeschwollenes und gerötetes Zahnfleisch
  • Empfindliche, freiliegende Zahnhälse
  • Zahnfleischschwund

Diesen Symptomen liegen zwei weitere Erkrankungsmerkmale zugrunde: Häufig geht der Parodontitis eine Entzündung des Zahnfleischs voraus. Außerdem kann der Abbau des Parodonts und vor allem des Alveolarknochens zu einer Erweiterung der Zahnfleischfurche führen. Diese vertieft sich symptomlos und es bilden sich Zahnfleischtaschen. Diese bieten Bakterien ein leichtes Spiel zum Eindringen und, um Entzündungen zu verursachen. Die Folge können Mundgeruch, Blutungen, Eiterentleerungen und sogar Zahnlockerungen sein.

Die Parodontitis ist multifaktoriell bedingt

Es besteht keine einzelne Ursache für eine Parodontitis, d.h. damit eine Parodontitis entsteht, müssen mehrere Faktoren zusammenspielen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem multifaktoriellen Geschehen. Grundlegend für die Entstehung ist eine schlechte Mundhygiene, welche die Ansiedlung von Bakterien begünstigt.

Bakterien als Ursache

Je nach der Form der Parodontitis können verschiedene und auch mehrere Bakterienarten an den Entzündungsstellen nachgewiesen werden. Bei einer akuten Parodontitis können das beispielsweise die Bakterien Capnocytophaga und Fusobacterium nucleatum sein. Für die chronische Parodontitis sind wiederum Prevotella intermedia-, Porphyromonas gingivalis- oder Aggregatibacter actinomycetemcomitans-Bakterien verantwortlich. Vor allem die Porphyromonas-Bakterien können zu schweren Schäden an den Zähnen führen, da sie die Arbeit bestimmter Abwehrzellen beeinträchtigen.

Wenn sich durch eine schlechte Mundpflege Bakterien an den Zähnen angesiedelt haben, entsteht an der Zahnkrone die bekannte Zahnkaries. Von dieser ist zunächst nur der oberflächliche Zahnschmelz betroffen. Im weiteren Verlauf dringen die Bakterien aber bis zum Zahnbein und schließlich auch bis zum Zahnmark vor. Von hier aus gelangen die Erreger über den Wurzelkanal in die Wurzelspitze. Ab jetzt haben die Bakterien leichtes Spiel, den Zahnhalteapparat zu befallen und Entzündungen auszulösen. Es entsteht eine apikale Parodontitis.

Ein weiterer Risikofaktor: diverse Allgemeinerkrankungen

Der Zahnhalteapparat sowie die Mundschleimhaut können sich im Rahmen einiger Erkrankungen krankhaft verändern. In solch einem Fall sprechen Mediziner von der „Parodontitis als Manifestation systemischer Erkrankungen“. Die Parodontitis kann durch die Erkrankungen ausgelöst werden, diese aber ebenso begünstigen. Es besteht also eine Art wechselseitiges Zusammenspiel.

Diabetiker weisen ein erhöhtes Risiko auf

Diabetiker weisen ein erhöhtes Risiko für Entzündungen im Mundraum auf. Außerdem gilt als gesichert, dass eine Entzündung bei Diabetikern schneller voranschreitet. Der Grund: dauerhaft hohe Zuckerwerte beeinflussen die sogenannten Fresszellen, wodurch vermehrt Botenstoffe freigesetzt werden, die entzündungsfördernd sind. Außerdem können Erreger schneller in das Gewebe gelangen, da Patienten mit Diabetes eine gestörte Wundheilung aufweisen. Dieser Zusammenhang besteht auch in umgekehrter Richtung: Eine Parodontitis kann eine erhöhte Insulinresistenz bewirken und somit zu schlechteren Blutwerten führen.

Der Lebensstil als Risikofaktor

Das Risiko für eine Parodontitis kann auch durch gewisse Lebensgewohnheiten erhöht werden. So schwächen die schädlichen Stoffe des Tabakrauchs die Abwehr im Mundraum. Zudem verengen sich die Gefäße – die Durchblutung wird vermindert, die Versorgung des Kauapparats mit Blut sinkt. Nikotin fördert den Kieferknochen-Abbau und lagert sich in der Zahnfleischfurche an. Forschungen haben ergeben, dass der Krankheitsverlauf der Parodontitis bedeutend beschleunigt wird, wenn eine betroffene Person täglich über zehn Zigaretten raucht.

Auch Adipositas gilt als risikoerhöhender Faktor: In Fettzellen entstehen entzündungsfördernde Stoffe, sogenannte Adipokine. Eine hohe Zuckerzufuhr führt zu einer Säurebildung durch Bakterien. Diese Säuren greifen den Zahnschmelz an und es kommt zu einer Demineralisation.

Doch nicht nur die Ernährung ist entscheidend: Stress und sämtliche negative Stimmungen können das Immunsystem schwächen und somit chronische Erkrankungen und Entzündungen begünstigen. Es wurde festgestellt, dass sich in den Zahnfleischfurchen von depressiven Menschen mehr entzündungsfördernde Stoffe befinden als in denen von Menschen ohne Depressionen. Auch eine bereits bestehende Parodontitis verläuft bei Stress und schlechter Laune schwerer. Zudem besteht durch das angegriffene Immunsystem die Möglichkeit einer schlechteren Wundheilung, sodass sich für die Erreger eine zusätzliche „Tür“ öffnet.

Auch Hormonumstellungen nach den Wechseljahren können der Auslöser sein

Studien haben bewiesen, dass die Knochenmasse ab einem Alter von 35 Jahren auf natürliche Weise abnimmt. Besonders ein Mangel an Östrogen bewirkt den allgemeinen Knochenabbau. Da der Östrogenspiegel nach den Wechseljahren sinkt, sind Frauen in dieser Phase anfälliger für eine Osteoporose und für den Abbau des Alveolarknochens. So kann eine Parodontitis mit Zahnfleischtaschen leichter entstehen.

Ein geschwächtes Immunsystem als Ursache für die Parodontitis

Wie bereits angedeutet, kann ein geschwächtes Abwehrsystem eine Parodontitis begünstigen. Krankheiten wie diverse Bluterkrankungen oder genetische Erkrankungen vermindern die Zahl der Abwehrzellen, wodurch die Funktion des Immunsystems beeinträchtigt wird. Das körpereigene Abwehrsystem kann eindringende Erreger nicht mehr so gut bekämpfen, sodass diese ein leichteres Spiel haben, Entzündungen und andere Beschwerden hervorzurufen. Zu den genetischen Krankheiten, mit denen ein erhöhtes Risiko für die Parodontitis einhergeht, zählen u.a.:

  • Das Down-Syndrom
  • Das Albright-Syndrom
  • Das Cohen-Syndrom
  • Morbus Crohn
  • Das Antikörper-Mangel-Syndrom
  • Das Glykogenspeicher-Syndrom

Bei einem schwer geschwächtem Immunsystem wie das beispielsweise bei einer fortgeschrittenen HIV-Infektion der Fall ist, kann die sogenannte nekrotisierende ulzerative Parodontitis entstehen. Im Rahmen dieser können die Abwehrzellen kaum noch auf Erreger reagieren. Als Folge zerfällt das Gewebe äußerst schnell. Von diesem Zerfall sind vor allem die Wurzelhaut und der Alveolarknochen betroffen. Das führt dazu, dass der Zahnhalteapparat schnell an Substanz verliert.

Weitere mögliche Ursachen

Paradoxerweise geht auch mit einigen zahnärztlichen und zahnerhaltenden Maßnahmen ein erhöhtes Risiko für eine Parodontitis einher. Vor allem eine Wurzelbehandlung birgt ein hohes Risiko, wenn die verwendeten Instrumente beispielsweise zu tief eingeführt werden. Ebenso können eine mangelhafte Auffüllung sowie eine Überfüllung des Wurzelkanals eine Parodontitis bewirken. Eine Entzündung kann auch begünstigt werden, wenn die Wurzelhaut durch einen Stoß oder durch einen Schlag traumatisch geschädigt wird.

Die Parodontitis ist ansteckend

Die Parodontitis ist, genauso wie alle anderen bakteriellen Infektionskrankheiten, ansteckend. Das bedeutet, dass die Erreger z.B. beim Küssen übertragen werden können. Zur Übertragung kann es aber auch schon kommen, wenn dasselbe Besteck oder dieselbe Tasse verwendet wird. Besondere Vorsicht ist bei Neugeborenen geboten! Mütter und Väter, die an einer Parodontitis leiden, können die Erreger leicht auf das Kind übertragen. Dessen Abwehrkräfte sind noch nicht so gut ausgeprägt, sodass – wenn es zu einer Übertragung kommt – beinahe immer eine Parodontitis entsteht. Außerdem leiden Babys viel stärker unter einer solchen Entzündung.

So wird eine Parodontitis diagnostiziert

Um zu untersuchen, ob es sich bei den Beschwerden um eine Parodontitis handelt, führt der Zahnarzt zunächst ein Anamnesegespräch mit dem Patienten. Im Rahmen dieses Gesprächs fragt der Mediziner u.a. danach, seit wann die Beschwerden bestehen und, ob der Patient schon einmal eine Parodontitis hatte. Es folgt eine Untersuchung des Zahnfleischs und es wird überprüft, ob dieses schnell anfängt zu bluten. Außerdem wird nach sogenannten Plaques (Zahnbeläge) Ausschau gehalten.

Um eine Diagnose stellen zu können, müssen auch die Zahnfleischtaschen untersucht werden. Hierfür verwendet der Zahnarzt ein spezielles Instrument namens Parodontalsonde. Mit diesem tastet er die vorhandenen Zahnfleischtaschen aus. So kann der Arzt feststellen, wo genau die Taschen liegen, wie tief sie sind und wie stark das umgebende Gewebe entzündet ist.

Anschließend erhebt der Arzt den sogenannten Parodontalen Screening Index. Dieser reicht von 0 bis 4, wobei die Kennzahl 0 für ein gesundes Zahnfleisch und die Kennzahl 4 für eine schwere Parodontitis steht. Des Weiteren kann ein Speicheltest durchgeführt werden, um die Bakterien, die sich in den Taschen aufhalten, zu bestimmen.

Eine Röntgenuntersuchung kann durchgeführt werden, um herauszufinden, ob die Parodontitis bereits den Kieferknochen entzündet hat. Außerdem kann so festgestellt werden, ob ein Knochenschwund besteht. Die Röntgenbilder machen mögliche Ablagerungen unter dem Zahnfleisch erkennbar. Diese Ablagerungen werden Konkremente genannt. Ebenso können überstehende Kronenränder begutachtet werden. Sollte die Parodontitis sehr stark ausgeprägt sein, kann eine Röntgenaufnahme auch gemacht werden, um zu bestimmen, ob der betroffene Zahn erhalten bleiben kann oder, ob er gezogen werden muss.

Die Therapie: Kürettage oder Operation

Die Therapie im Rahmen der Parodontitis besteht aus zwei übergeordneten Zielen: die Entzündung soll gestoppt und die Auslöser der Krankheit sollen beseitigt werden. Die Bakterien werden aus den Zahnfleischtaschen beseitigt, indem die Zahnoberfläche gründlich gereinigt wird: Bei der sogenannten „geschlossenen“ Kürettage schabt der Zahnarzt die harten und weichen Beläge mit speziellen Instrumenten ab. Diese Behandlung reicht oft aus, um die Entzündung unter Kontrolle zu bringen. Sie wird unter örtlicher Betäubung durchgeführt.

In dem Fall, dass die Zahnfleischtaschen sehr tief sind bzw. wenn die Entzündung auch nach der gründlichen Reinigung noch besteht, muss ein chirurgischer Eingriff erfolgen. Diese kleine Operation wird als „offene“ Behandlung bezeichnet. Um die Zahnfleischtaschen besser einsehen zu können, löst der Zahnarzt die Zahnfleischränder vom Zahn und vom Knochen ab. Anschließend entfernt er erkranktes Gewebe und befreit die Zahnfleischtaschen von Belägen.

In einigen Fällen (z.B. wenn die Keime sehr aggressiv sind) ist darüber hinaus eine Behandlung mit einem Antibiotikum notwendig.

Die gründliche Zahnpflege als Nachbehandlung

Im Anschluss an eine Behandlung liegt es an dem Patienten, eine tägliche gründliche Zahnpflege zu verfolgen. So wird einem erneuten Zahnbelag vorgebeugt. Eine gründliche Zahnpflege besteht sowohl aus dem Putzen der Zähne als auch aus der Verwendung von Zahnseide bzw. von Zahnzwischenraumbürsten. Nur mit diesen lässt sich Zahnbelag zwischen den Zähnen und am Zahnfleischrand entfernen. Ebenso können Zungenschaber und desinfizierende (fluoridhaltige) Mundspülungen das Bakterienwachstum im Mund vermindern.

Einer Parodontitis kann man ganz einfach vorbeugen

Einer Parodontitis lässt sich durch eine gute Zahn- und Mundhygiene vorbeugen. Ebenso tragen eine professionelle Zahnreinigung durch den Zahnarzt und die regelmäßige Entfernung von Zahnstein zur Prophylaxe bei. Raucher können das Risiko für eine Parodontitis zusätzlich verringern, indem sie das Rauchen aufgeben.

Aktualisiert am 17. Februar 2021