Morbus Bechterew

Der Morbus Bechterew (auch: M. Bechterew, Spondylitis ankylosans) gehört zu den Erkrankungen des Achsenskeletts, welche auch mit dem Begriff Spondyloarthritiden bezeichnet werden. Er betrifft überwiegend die Wirbelsäule sowie deren Verbindung zum Becken. Von der Erkrankung können aber auch andere Skelettanteile und Gelenke betroffen sein.

Durch Umbauprozesse kommt es im Rahmen von Morbus Bechterew zur Zerstörung von Knochengewebe. Gleichzeitig werden Knochenanhängsel gebildet, welche die Beweglichkeit der jeweiligen Region einschränken können. Langfristig führt M. Bechterew zu einer Verknöcherung der Gelenke und Bänder der Wirbelsäule sowie des Beckens – die Beweglichkeit dieser Strukturen ist stark eingeschränkt und mit der Erkrankung gehen große Schmerzen einher.

Besonders häufig betrifft M. Bechterew die Lenden- und Beckengegend. Die Beschwerden können aber auch die Halswirbelsäule und die Brustwirbelsäule betreffen. Im Endstadium der Krankheit können Verwachsungen und Versteifungen einzelner oder mehrerer Bänder und Gelenke entstehen. Die Prognose der Erkrankung ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich.

Vor allem Männer sind betroffen

Morbus Bechterew stellt eine chronische Erkrankung dar, die häufig in Schüben auftritt: Die Erkrankung wird von Stufe zu Stufe einschränkender und schmerzhafter. Neben der charakteristischen Versteifung kommt es in einigen Fällen auch zu Schädigungen an Organen wie dem Herzen.

In Deutschland sind etwa 0,5 Prozent der Bevölkerung an M. Bechterew erkrankt. Frauen sind deutlich seltener betroffen als Männer. Die Erkrankung tritt i.d.R. im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Als wichtigster Risikofaktor für die Spondylitis ankylosans gilt das Antigen namens HLA-B27. Allerdings muss es weitere Faktoren für die Erkrankung geben – nicht alle Menschen mit diesem Merkmal erkranken an M. Bechterew. Die Ursachen-Suche beschäftigt die Wissenschaft seit langer Zeit.

Ein entzündlicher Rückenschmerz als Hauptsymptom

Im frühen Stadium weist die Krankheit oft zunächst keine spezifischen Symptome auf. Als Hauptsymptom gilt der entzündliche Rückenschmerz, welcher vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule auftritt. Dieser Rückenschmerz ist durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:

  • Er beginnt langsam
  • Er setzt vor dem 45. Lebensjahr ein
  • Er dauert länger als drei Monate an
  • Er verbessert sich bei Bewegung
  • Das Schmerzmaximum wird morgens erreicht
  • Mit den Schmerzen geht eine Morgensteifigkeit der Wirbelsäule einher

Die charakteristischen Rückenschmerzen treten nahezu immer als Kreuzschmerzen auf, die tief sitzen. Der Grund hierfür ist, dass die Krankheit i.d.R. mit einer Iliosakralgelenk-Entzündung beginnt. Dieses Gelenk stellt die Verbindung zwischen dem Kreuzbein und dem Becken dar. Im weiteren Verlauf weiten sich die Schmerzen auf die restliche Wirbelsäule aus. Diese beginnt sich zu versteifen.

Nach einem akuten Schub der Krankheit bilden sich die Beschwerden oft zurück, sodass die Betroffenen wieder ihre normale Haltung einnehmen können. Die Krankheit kann in einigen Fällen aber auch chronische Schmerzen bedingen.

Wie bereits erwähnt, wirkt sich M. Bechterew teilweise auf andere Organe und Gelenke aus, sodass zusätzliche Symptome auftreten. Zu diesen Beschwerden gehören die folgenden:

  • Es kommt zu einer Entzündung von Schleimbeuteln, Sehnen und Sehnengleitgeweben, sodass starke Schmerzen entstehen.
  • Es bestehen Beschwerden, die einer Arthritis ähneln: Die großen Gelenke (z.B. Schultern oder Knie) schmerzen und sind entzündet. Besonders die Hüften können Schaden davontragen und zwar bereits in jungen Jahren.
  • Die Hauptschlagader des Herzens kann sich entzünden, sodass es zu Klappenfehlern der Aortenklappe kommen kann. Häufiger treten Herzrhythmusstörungen auf.
  • In etwa 40 Prozent der Fälle treten Symptome einer Iridozyklitis auf. Zu diesen Beschwerden gehören schmerzende, gerötete Augen und eine hohe Lichtempfindlichkeit. Die Sehkraft kann durch die wiederkehrende Entzündung der Regenbogenhaut und der vorderen Augenkammer eingeschränkt sein.
  • Bei einer milden Dickdarmbeteiligung (Colitis) können im Rahmen der Spondylitis ankylosans auch Durchfälle auftreten. Außerdem kann die Erkrankung eine milde Lungenfibrose begünstigen.

Die genauen Ursachen sind unbekannt

Bis heute sind die genauen Ursachen für die Erkrankung nicht bekannt. Man weiß aber, dass ein immunologischer Prozess eine entscheidende Rolle spielt. Außerdem weiß man, dass es eine genetische Veranlagung für M. Bechterew gibt. Knapp 90 Prozent der Patienten mit Spondylitis ankylosans „besitzen“ das Protein HLA-B27. Dieses ist auf der Oberfläche spezieller Immunsystem-Zellen angesiedelt. Das Protein ist für die Erkennung von Fremdmaterial und Krankheitserregern zuständig.

Das HLA-Protein (Human Leucocyte Antigen) kommt bei jedem Menschen vor. Ähnlich wie bei den Blutgruppen gibt es jedoch verschiedene Varianten des Proteins, von denen einige besser als Krankheitserreger-Bekämpfer funktionieren als andere: In Bezug auf das HLA-B27 wird davon ausgegangen, dass es bei einigen Erregern schlechter funktioniert als bei anderen, wodurch das körpereigene Abwehrsystem stärker reagieren muss, um gegen die Erreger anzukommen. Dabei kommt es zu einer chronischen Entzündung an Wirbeln und Beckenknochen. Die genaue Ursache für diese Entzündung ist, wie bereits erwähnt, noch unbekannt.

Aus dem Grund, dass einigen Fällen der Spondylitis ankylosans eine Reaktive Arthritis vorausgeht, vermutet man auch einen engen Zusammenhang zu dieser Erkrankung. Die Reaktive Arthritis geht ebenfalls aus einer körpereigenen Immunreaktion gegen Erreger hervor.

Die Diagnose von M. Bechterew

Sollte der Arzt einen Verdacht auf Morbus Bechterew hegen, überweist er den Patienten an einen Spezialisten für rheumatische Erkrankungen. Um die Diagnose sichern zu können, erkundigt sich dieser zunächst nach den Symptomen sowie nach der Krankengeschichte des Patienten. So kann beispielswiese eine familiäre Veranlagung für die Krankheit festgestellt werden.

Es folgt eine körperliche Untersuchung, die vor allem der Überprüfung der Wirbelsäulen-Beweglichkeit dient: Der Patient wird aufgefordert, sich zur Seite und nach vorne zu beugen. Dabei vermisst der Arzt den Rücken. Während der Patient den Oberkörper nach vorne beugt, kann zudem der Abstand zwischen den Fingerspitzen und dem Boden bestimmt werden. Ebenso werden die Beweglichkeit der Halswirbelsäule sowie der Brustumfang nach dem Ein- und Ausatmen dokumentiert. Ein spezieller Handgriff dient der Überprüfung, ob das Iliosakralgelenk entzündet ist.

Es folgen bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie. Die Bilder machen eine Entzündung sichtbar. Besteht der Morbus Bechterew bereits länger, können Röntgenaufnahmen typische Verknöcherungen an der Wirbelsäule aufzeigen. Dabei können auch die Bänder der Wirbelsäule verknöchert sein. In diesem Fall wird von der sogenannten Bambusstab-Wirbelsäule gesprochen – die Wirbelsäule erinnert dann an die Form eines Bambusstabes. Die bildgebenden Verfahren können außerdem eine Verkrümmung der Wirbelsäule sichtbar machen, sodass das Ausmaß der Verkrümmung gemessen werden kann.

Des Weiteren wird der behandelnde Arzt eine Blutuntersuchung durchführen. Auf diese Weise sollen mögliche Entzündungen im Körper festgestellt werden. Im Falle von Spondylitis ankylosans können die Werte des C-reaktiven Proteins und die Blutsenkungs-Geschwindigkeit erhöht sein. Außerdem gibt die Blutuntersuchung Aufschluss über die Bildung des HLA-B27-Proteins. Dessen häufiges Auftreten im Rahmen von M. Bechterew macht es zu einem wichtigen Diagnosekriterium. Wie bereits erwähnt, verfügen viele Menschen über dieses Körpereiweiß, sodass die Diagnose zusätzlich gesichert werden muss.

Die Behandlung von Spondylitis ankylosans

Die Krankheit gilt als nicht heilbar, der Krankheitsverlauf kann durch entsprechende Therapiemaßnahmen jedoch positiv beeinflusst werden. Das übergeordnete Ziel jeder Behandlung ist es, die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten sowie die Entwicklung eines dauerhaften Rundrückens zu vermeiden.

Bewegung als unverzichtbare Therapiemaßnahme

Als wichtigstes Element der Therapie von M. Bechterew gilt die Bewegung. In der Krankengymnastik werden gezielt bestimmte Muskeln gekräftigt und die Wirbelsäule wird beweglich und aufrecht gehalten. Die aufrechte Haltung muss auch im Alltag gezielt gefördert werden. Hierfür müssen die Patienten richtige Sitz- und Schlafpositionen erlernen und sogenannte aufrichtende Sportarten wie Rückenschwimmen ausüben. Darüber hinaus muss die Hüfte genug gestreckt werden. So soll eine Versteifung in gebeugter Haltung vermieden werden.

Die Übungen werden zunächst in speziellen Einrichtungen, die Bewegungstherapien und Morbus-Bechterew-Gymnastik anbieten, erlernt. Anschließend sollten die Übungen auch im Alltag bzw. zuhause durchgeführt werden – wer regelmäßig trainiert und darauf achtet, stets eine aufrechte Haltung einzunehmen, kann einen versteiften Rundrücken gut vermeiden.

Hilfreich sind auch Wärme- und Kälteanwendungen sowie weitere physikalische Therapien. Zu diesen zählen warme Bäder, Massagen, sogenannte Stangerbäder und die Niederfrequenz-Therapie.

Die Therapie mit Medikamenten

Um die Symptome des M. Bechterew zu lindern, verschreibt der behandelnde Arzt Medikamente, genauer: sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika. Zu diesen gehören u.a. die Wirkstoffe Diclofenac und Indometacin. Diese Mittel wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend. Sie werden nach individuellem Bedarf und in Absprache mit dem Arzt angewendet.

Glukokortikoide, welche mit dem körpereigenen Hormon Kortisol bzw. Kortison verwandt sind, werden kurzfristig eingesetzt, um akute Entzündungen zu lindern. Diese Mittel dienen Außerdem der äußerlichen Behandlung einer Irisentzündung, welche durch Spondylitis ankylosans bedingt sein kann.

Im Falle von starken Entzündungen außerhalb der Wirbelsäule kann zusätzlich zu Basismedikamenten gegriffen werden. Zu diesen gehören beispielsweise Methotrexat und Sulfasalazin. Diese Mittel können über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden, um die entzündliche Symptomatik langfristig zu unterdrücken. Die Medikamente kommen auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zum Einsatz.

Sollten all diese Medikamente keinen Erfolg bringen, können Medikamente zum Einsatz kommen, die den Botenstoff TNF alpha hemmen. Dieser Botenstoff gilt als entzündungsfördernd. Die Medikamente dämpfen das Immunsystem, was einerseits therapeutisch erwünscht ist, andererseits aber das Risiko für Infektionen erhöht. Aus diesem Grund und, da die Annahme besteht, dass die TNF-alpha-Blocker langfristig das Risiko für Krebserkrankungen steigern, sollten die Vor- und die Nachteile des Einsatzes gut gegeneinander abgewogen werden.

Die Aufrichtungsoperation

Eine Operation wird eher selten durchgeführt, um M. Bechterew zu heilen. Allerdings können mit der Erkrankung einige Komplikationen einhergehen (z.B. ein Wirbelsäulenbruch), die einen operativen Eingriff notwendig machen. Ist beispielsweise die Wirbelsäule stark verkrümmt, kann die Lebensqualität der Betroffenen stark eingeschränkt sein, da sie nicht mehr nach vorne blicken und nicht mehr aufrecht gehen können. In solch einem Fall kann eine Aufrichtungsoperation durchaus sinnvoll sein. Für solch eine Operation stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Dabei werden entweder einzelne Wirbelkörper oder gleich mehrere Wirbel operiert. Um eine Aufrichtung der Wirbelsäule zu erzielen, wird entweder ein sogenanntes Schrauben-Stab-System eingesetzt oder es werden Knochenstücke entnommen. Im letzten Fall bezeichnet man die Operation als Osteotomie. Die gewählte Methode richtet sich nach der Art und nach dem Stadium der Erkrankung. Auch der Ersatz eines durch die Entzündung stark veränderten Hüftgelenks kann notwendig sein, um die Lebensqualität des Patienten zu erhöhen.

Mit der Krankheit leben

Es liegt zu einem gewissen Teil am Patienten selbst, die Lebensqualität unter M. Bechterew zu erhöhen. Welche die geeigneten Maßnahmen sind, sollten Patienten mit dem behandelnden Arzt besprechen. Außerdem gibt es zahlreiche Selbsthilfegruppen, die beim Umgang mit der Krankheit helfen können.

Das können Patienten eigenständig tun

  • Das Bett sollte nicht durchhängen. Vielmehr sollte es eine feste Unterlage darstellen. Außerdem gibt es spezielle Kissen (Muldenkissen), die den Kopf stützen, aber eine Krümmung des Oberkörpers vermeiden. Auch die Lage auf dem Bauch ist empfehlenswert für Patienten mit Spondylitis ankylosans.
  • In Bezug auf den Beruf – und nicht nur im Berufsleben – sollten Tätigkeiten vermieden werden, bei denen man sich viel nach vorne beugen muss. Am besten, man wechselt stets zwischen einer Sitz- und einer Stehposition bzw. man geht zwischendurch im Raum herum. Außerdem kann es sehr wohltuend sein, in der Mittagspause eine flache Liegeposition einzunehmen. Schwere Gegenstände sollten nicht gehoben werden und wenn, muss man darauf achten, aus den Beinen heraus zu heben. So wird eine zusätzliche Belastung der Wirbelsäule vermieden.
  • Um die Wirbelsäule bei einer längeren Sitzposition aufrecht zu halten, sollte ein sogenanntes Keilkissen verwendet werden. Diese Unterlage kann auch beim Autofahren Verwendung finden. Beim Autofahren sollte außerdem auf eine gut angepasste Kopfstütze, welche sich nah genug am Hinterkopf befindet, geachtet werden.
  • In Bezug auf die sportliche Betätigung lässt sich sagen, dass Sport sehr hilfreich ist. Allerdings müssen Patienten die individuell geeigneten Sportarten wählen. Hierfür sollte man die Absprache mit dem behandelnden Arzt suchen. Im Allgemeinen eignen sich für Patienten mit Spondylitis ankylosans vor allem Rückenschwimmen, Skilanglauf und Wandern. Wichtig ist hierbei die richtige Technik-Ausführung. Rückenbelastende Sportarten (z.B. Badminton) sollten generell vermieden werden. Beim Radfahren muss auf eine möglichst aufrechte Sitzhaltung geachtet werden.
  • Patienten mit M. Bechterew müssen auch bei Operationen anderer Art vorsichtig sein: Im Falle, dass die Halswirbelsäule eingeschränkt beweglich ist, muss bei der Narkose eine spezielle Beatmungstechnik angewandt werden. Aus diesem Grund sollte man vor einer Operation stets den behandelnden Arzt über diese informieren. Auch ein Notfallausweis, in dem die Krankheit aufgelistet ist, ist durchaus sinnvoll. So können die Helfer in einer möglichen Notfallsituation (z.B. bei einem Unfall) entsprechend handeln.

Maßnahmen, um einer Versteifung der Wirbelsäule entgegenzuwirken

Eine bestimmte Prophylaxe gegen Morbus Bechterew gibt es nicht. Man kann aber einige Maßnahmen durchführen, um die Krankheit positiv zu beeinflussen. Zu diesen Maßnahmen zählen gymnastische Übungen, welche die Rückenmuskulatur stärken und die Beweglichkeit der Wirbelsäule erhalten. Durch die konsequente und vor allem regelmäßige Ausführung der Übungen lässt sich einer Versteifung der Wirbelsäule gut entgegenwirken bzw. lässt sich diese verzögern.

Aktualisiert am 16. Februar 2021