Chronische Schmerzen

Als chronische Schmerzen bezeichnet man Schmerzen, die seit mindestens drei Monaten bestehen und dabei immer oder zumindest häufig wiederkehren. Außerdem gelten Schmerzen, die den Patienten körperlich, kognitiv und sozial beeinträchtigen, als chronische Schmerzen. Eine körperliche Beeinträchtigung ist beispielsweise ein Beweglichkeitsverlust. Eine kognitive Beeinträchtigung können Stimmungsschwankungen sein und von einer sozialen Beeinträchtigung spricht man beispielsweise, wenn der oder die Betroffene aufgrund der Schmerzen das Haus nicht mehr verlässt.

Im Gegensatz zu akuten Schmerzen handelt es sich bei chronischen Schmerzen, die auch als chronisches Schmerzsyndrom bezeichnet werden, längst nicht mehr um eine körperliche Funktion, die eine Art Alarmsignal darstellt und auf einen fehlerhaften Zustand hinweist. Vielmehr stellen chronische Schmerzen eine eigenständige Schmerzkrankheit dar. Häufig sind die genauen Ursachen nicht bekannt. Bestehen chronische Schmerzen, kommt es häufig auch zu Schlafstörungen, zu einer gesteigerten Reizbarkeit und zu depressiven Verstimmungen. Außerdem kann mit den Schmerzen ein Appetitmangel einhergehen und die Betroffenen sind zum Teil stark in ihrem Alltag eingeschränkt. Hierunter leidet nicht nur das berufliche, sondern auch das private Leben.

Unterscheidung zwischen verschiedenen chronischen Schmerzen

Eine einfache Einteilung von chronischen Schmerzen besteht in der folgenden Differenzierung:

Chronische Schmerzen als das Begleitsymptom von körperlichen Störungen

Zu dieser Art von chronischen Schmerzen zählen sowohl „normale“ Schmerzen, die bei Nervenschädigungen und im Rahmen einer körperlichen Erkrankung wie der Osteoporose auftreten, als auch Schmerzen, die als „außergewöhnlich“ bezeichnet werden können. Zu letzteren zählen u.a. Phantomschmerzen, die nach einer Amputation bestehen.

Schmerzen mit einer körperlichen Ursache und einer psychischen Begleiterkrankung

Zu diesen Schmerzen gehören chronische Schmerzen, die durch eine Gewebeschädigung entstanden sind und durch psychische Faktoren verstärkt werden. Ein Beispiel hierfür sind Rückenschmerzen, die in das Bein ausstrahlen. Diese Rückenschmerzen können bei einem Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule entstehen. Die Schmerzen können zunehmen, wenn eine depressive Störung oder eine Angststörung vorliegt.

Chronische Schmerzen als Symptom einer psychischen Erkrankung

Auch Angststörungen, posttraumatische Belastungen und andere psychische Erkrankungen können chronische Schmerzen bedingen. Diese Schmerzen sind also psychosomatisch.

So werden Schmerzen chronisch

Häufig liegt die Ursache für chronische Schmerzen in akuten Schmerzen. Halten Schmerzreize an, reagieren die Nervenzellen im Verlauf der Zeit immer empfindlicher auf diese Reize, d.h. die Schmerzschwelle sinkt. Zur Vereinfachung kann man sagen, dass sich aus der Schmerzreizen sozusagen ein „Schmerzgedächtnis“ entwickelt. Dieses „Schmerzgedächtnis“ kann dazu führen, dass schon kleine Schmerzreize oder gar Berührungen als Schmerzen wahrgenommen werden. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass die Nervenzellen eigenständig Schmerzsignale an das Zentrale Nervensystem senden, also, obwohl die schmerzauslösende organische Ursache schon gar nicht mehr besteht.

Zu einer Chronifizierung von Schmerzen kann es auch durch Schmerzmittel kommen. Außerdem können starke Schmerzen in der Kindheit die Entwicklung von chronischen Schmerzen begünstigen. Aus diesem Grund wird bei der Behandlung eines Kindes besonders darauf geachtet, dass keine Schmerzen entstehen: in manchen Fällen erhalten Kinder schon bei der Abnahme von Blut eine lokale Betäubung.

Schmerzformen mit chronischem Verlauf

Zu den häufigsten Schmerzen mit einem chronischen Verlauf gehören:

  • Gelenkschmerzen (z.B. bei einer rheumatoiden Arthritis)
  • Rückenschmerzen (z.B. chronische Kreuzschmerzen)
  • Chronische Spannungskopfschmerzen und Migräne
  • Tumorschmerzen
  • Muskelschmerzen (z.B. bei einer Fibromyalgie)

Untersuchungen bei chronischen Schmerzen

Um eine Diagnose stellen zu können, führt der Arzt zunächst ein ausführliches Anamnesegespräch mit dem Patienten. Der Mediziner erkundigt sich u.a. nach den Beschwerden sowie nach der Krankengeschichte. Dabei interessiert ihn, seit wann die Schmerzen bestehen und wo sie auftreten. Außerdem sind der Schmerzcharakter und die Intensität interessant für die Diagnose. Ebenso fragt er den Patienten, ob Begleitsymptome wie Schlafstörungen bestehen. Der Arzt bittet den Patienten zusätzlich um psychosoziale Informationen, also um Angaben in Bezug auf die Lebenssituation, auf das Berufsleben usw.

Es folgt eine gründliche körperliche Untersuchung. Die angewandten Methoden richten sich nach der Art der chronischen Schmerzen (z.B. Rückenschmerzen) – es können neurologische, internistische und orthopädische Verfahren zum Einsatz kommen. Auch bildgebende Verfahren können in bestimmten Fällen nützlich sein. Hierzu gehören beispielsweise eine Röntgenuntersuchung und eine Magnetresonanztomographie. Je nach den Schmerzen, können auch eine Untersuchung des Bluts und eine elektrophysiologische Untersuchung hilfreich sein.

Die Therapie muss auf den Patienten zugeschnitten werden

Die Herausforderung bei der Therapie von chronischen Schmerzen besteht darin, den für den Patienten individuell passenden Therapieansatz sowie die geeignete Medikation zu finden. Wird eine Person medikamentös behandelt, sollten i.d.R. auch psychologische Maßnahmen eingeleitet werden. In einzelnen Fällen kann ein chirurgischer Eingriff notwendig sein.

Die Behandlung von chronischen Schmerzen mit nichtopioiden Mitteln und mit Opioiden

Nichtopioide Analgetika wie Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure sind bei starken Schmerzen oft nicht ausreichend. Ist das der Fall, kommen sogenannte Opiod-Analgetika, also Betäubungsmittel zum Einsatz. Diese Medikamente haben eine schmerzlindernde Wirkung und ähneln in ihren Eigenschaften dem Morphin. Diese Mittel unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Aufgrund dieser Tatsache und, da diese Medikamente ein hohes Risiko für eine Abhängigkeit bergen, werden sie nicht immer in einem genügenden Maß eingesetzt, sodass viele chronische Schmerzen nicht ausreichend therapiert werden.

Der sogenannte Stufenplan der WHO besagt, dass die Behandlung von chronischen Schmerzen stets mit nichtopioiden Analgetika begonnen werden soll. Sollten diese Medikamente, die nicht im Gehirn, sondern peripher wirken, nicht zu einer Besserung der Schmerzen beitragen, können schwächere Opioide angewandt werden. Diese können in einer geringen Dosierung gehalten werden, wenn sie mit Mitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol kombiniert werden. Der Stufenplan der WHO schreibt vor, dass starke Opioide erst eingesetzt werden sollen, wenn diese Wirkstoffkombination nicht zu einer Linderung der Beschwerden führt. Die Opioide werden nicht nach Bedarf, sondern regelmäßig eingenommen. So soll verhindert werden, dass es überhaupt zu Schmerzattacken kommt.

Weitere Medikamente zur Behandlung von chronischen Schmerzen

Des Weiteren kommen bei chronischen Schmerzen häufig Antidepressiva zum Einsatz. Diese helfen den Betroffenen dabei, das Stimmungstief aufgrund der Schmerzen zu überwinden. Außerdem kann durch diese Medikamente der Bedarf an Schmerzmitteln reduziert werden. Weitere ergänzende medikamentöse Maßnahmen bestehen in der Gabe von Beruhigungsmitteln, Muskelrelaxanzien und entzündungshemmenden Medikamenten.

Die Injektion von schmerzlindernden Mitteln

All diese Wirkstoffe sollten im besten Fall oral eingenommen werden. Um eine Besserung zu erzielen, ist es in manchen Fällen jedoch notwendig, die schmerzlindernden Stoffe per Injektion zu verabreichen. So z.B., wenn der Patient aufgrund von Angststörungen keine Tabletten schlucken kann. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Verabreichung per Injektion keine bessere Wirkung hat. Außerdem gehen mit ihr dieselben Nebenwirkungen einher wie mit den oralen Medikamenten.

Physikalische Therapien und Krankengymnastik

Um die Durchblutung zu fördern und den durch die Schmerzen bedingten erhöhten Muskeltonus zu verringern, kommen auch physikalische Maßnahmen wie Wärme- und Kältebehandlungen oder Massagen zum Einsatz. Auch eine krankengymnastische Behandlung kann dieses Ziel unterstützen.

Psychologische Betreuung

Wie bereits angedeutet, sollten Patienten mit chronischen Schmerzen psychologisch betreut werden, denn die Schmerzen können den Alltag bestimmen und die Betroffenen stark einschränken. Der oder die Betroffene muss lernen, mit den Schmerzattacken zu leben, ohne dabei seine Lebenslust zu verlieren. Auch die Angehörigen der Patienten können in die Psychotherapie mit einbezogen werden, wenn Bedarf besteht. Auch eine Selbsthilfegruppe stellt eine Möglichkeit für die psychische Verarbeitung dar. Ebenso haben sich Entspannungstechniken wie die Meditation bewährt.

Nervenstimulation durch elektrische Impulse

Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (kurz: TENS) werden elektrische Impulse an die Hautoberfläche abgegeben. Diese schwachen Impulse werden durch die Haut weitergeleitet, sodass sie freie Nervenendigungen stimulieren. Das führt zu einer sogenannten Gegenirritation: der Reiz mildert die eigentlichen Schmerzen. Für die Impulsabgabe ist ein kleines Gerät zuständig. Dieses kann vom Patienten überall mit hingenommen werden. Die Elektroden werden auf die Haut im schmerzenden Bereich geklebt. Dann muss das Gerät nur noch eingeschaltet werden.

Homöopathische Mittel

Neben diesen konventionellen Methoden der Therapie von chronischen Schmerzen gibt es auch einige komplementäre Ansätze, die hilfreich sein und die Lebensqualität der Patienten deutlich erhöhen können. In der Homöopathie gibt es beispielsweise einige Stoffe, die schmerzlindernde Wirkungen haben. Sind die chronischen Schmerzen auf Nervenverletzungen zurückzuführen, kann u.a. Johanniskraut angewandt werden. Dieses kommt vor allem zum Einsatz, wenn die chronischen Schmerzen an den Fingern oder den Zehen auftreten. Außerdem wirkt Johanniskraut stimmungsaufhellend und positiv auf das Nervensystem. Die Patienten müssen darauf hingewiesen werden, dass man bei der Anwendung von Johanniskraut eine gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber UV-Strahlen aufweist.

Die Therapie durch Hypnose und Autogenes Training

Verschiedene Hypnoseverfahren können die Schmerzempfindlichkeit einer Person deutlich senken bzw. diese sogar schmerzunempfindlich machen. In einem ersten Schritt lernen die Patienten, ein Taubheitsgefühl in den Händen hervorzurufen. Diese Taubheit sollen sie dann in andere Körperbereiche übertragen. So erleben die Betroffenen, dass sie ihren Schmerzen nicht hilflos ausgesetzt sind und, dass sie Einfluss auf diese nehmen können. Die Hypnose wirkt sich also sowohl physisch als auch psychisch positiv auf die Patienten aus.

Auch das Autogene Training kann bei chronischen Schmerzen helfen. Im Autogenen Training wird mit sprachlichen Formeln gearbeitet. Patienten können sich beispielsweise „Wärme“ in den Extremitäten vorstellen. Außerdem werden Formeln wie „kein Schmerz am kühlen Handrücken“ verwendet.

Schmerztherapie durch Akkupunktur

Im Rahmen der Schmerztherapie hat die Akkupunktur aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bereits viele Erfolge verbuchen können. Mit dieser können nahezu alle Schmerzarten behandelt werden. Besonders viele Erfolge verzeichnet die Akkupunktur bisher bei Muskel- und Knochenschmerzen sowie bei Migräne. Die Akkupunktur kann sogar im Rahmen von Operationen angewandt werden – die Patienten sind bei vollem Bewusstsein und doch völlig schmerzfrei.

Die Einnahme von Vitaminen

Bestehen chronische Schmerzen, sollte der Körper durch Vitamin C, Vitamin E und Selen unterstützt werden. Außerdem sollten Vitamin B1, B6 und B12 zugeführt werden. So wird das Immunsystem gestärkt und die Muskulatur geschützt. Außerdem erfüllen die Vitamine viele weitere Funktionen im menschlichen Körper.

Phenylalanin fördert wiederum die Produktion von Endorphinen. Hierbei handelt es sich um körpereigene schmerzlindernde Botenstoffe im Gehirn. Sie werden auch als Glückshormone bezeichnet.

Die Meidung von schmerzauslösenden Nahrungsbestandteilen

Da auch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit der Auslöser von chronischen Schmerzen sein kann, können diese teilweise im Rahmen einer Ernährungstherapie gelindert werden. Es gilt, die schmerzauslösenden Nahrungsmittel zu meiden. Zuvor muss im Rahmen einer bestimmten Diät herausgefunden werden, welche Lebensmittel bzw. welche Nahrungsbestandteile die Schmerzen auslösen. Ein Beispiel ist Kaffee. Dieser setzt die Wirkung von Endorphinen herab und kann somit zu einer Verschlechterung des Zustands führen.

Therapie durch Bewegung

Auch Bewegung tut dem Körper gut und kann zu einer Verbesserung der Symptome beitragen. Durch Bewegung werden eine Versteifung und eine Schwächung der Muskeln verhindert. Die sportlichen Aktivitäten sollten an der frischen Luft ausgeübt werden und auf das sportliche Leistungsniveau des Patienten zugeschnitten sein – die individuelle Leistungsgrenze darf keinesfalls überschritten werden! Nach einem längeren regelmäßigen Training wird der Körper zur Produktion von Endorphinen angeregt, sodass ein ausgleichender, schmerzstillender Effekt eintritt.

Die Linderung der Schmerzen durch Fußreflexzonentherapie

Eine weitere Möglichkeit, die chronischen Schmerzen zu lindern, besteht in einer Fußreflexzonentherapie. Es gibt bestimmte Griffe, die als beruhigend und schmerzlindernd empfunden werden. Je nachdem, welches Organ bzw. welche Körperregion schmerzt, werden unterschiedliche Griffe angewandt.

Massagen

Therapeutische Massagen können die Lebensqualität der Patienten mit chronischen Schmerzen deutlich verbessern, indem sie die Schmerzzustände lindern. Nach einer Massage muss stets darauf geachtet werden, dass der Behandelte ausreichend nachruht.

Vorbeugung

Chronische Schmerzen sind sehr vielfältig. Aus diesem Grund kann man ihnen nicht sicher vorbeugen. Es gibt aber einige Hinweise, die man beachten sollte, um die Entstehung von chronischen Schmerzen weitestgehend zu vermeiden. Und zwar sollte bei akuten Schmerzen die Ursache abgeklärt und ggf. eine Behandlung eingeleitet werden. Auf diese Weise wird vermieden, dass sich die Schmerzen in das „Schmerzgedächtnis“ einbrennen und somit „verschleppt“ werden.

Bestehen derartige Schmerzen, dass man das Gefühl hat, in seinem Leben beeinträchtigt zu sein, sollte man darüber reden. Ob man das lieber mit einem Profi oder mit Angehörigen bzw. Freunden tut, weiß jeder Betroffene selbst am besten.

Bei bestehenden Schmerzen sollte man sich Auszeiten gönnen und regelmäßig Dinge unternehmen, die einem guttun. So lenkt man sich von den Schmerzen ab und verhindert, dass diese einen chronischen Charakter annehmen. Schon der Besuch von Freunden und Spaziergänge können wahre Wunder bewirken.

Aktualisiert am 14. Februar 2021