Histaminintoleranz: Völlegefühl, Kopfschmerzen und Rötungen – was kann ich tun?

Jeder hat es schon einmal erlebt, dass er nach zu starkem Weingenuss mit einem schweren Kopf aufgewacht ist. Einigen Menschen machen jedoch bereits geringe Mengen von Wein, aber auch einige andere Lebensmittel Probleme. Nach dem Genuss von lang gereiftem Käse, Salami, Sauerkraut oder Thunfisch klagen sie über Übelkeit, Kopfschmerzen, Durchfall oder Herzrasen. Einige von ihnen reagieren zudem mit Atemnot und starken Rötungen im Gesicht oder an anderen Körperstellen. Sie haben Histaminintoleranz. Doch was ist das eigentlich?

Intoleranz oder Allergie?

Im Volksmund werden die Begriffe Intoleranz und Allergie häufig synonym verwendet. Für den Laien ist es nicht immer einfach, zwischen beispielsweise einer Nussallergie und einer Laktoseintoleranz zu unterscheiden. In beiden Fällen werden schließlich bestimmte Lebensmittel schlecht vertragen und verursachen Symptome: Beim einen sind es Nüsse, beim anderen eben Milchprodukte.

Doch was im Körper vor sich geht, ist bei einer Intoleranz ganz anders als bei einer Allergie. Während es sich bei der Intoleranz um eine Stoffwechselstörung, meist um einen Enzymdefekt bzw. um eine enzymatische Abbaustörung handelt, bezeichnet der Begriff Allergie eine immunologische Reaktion auf bestimmte Stoffe. Bei einer Intoleranz sind jedoch keine IgE- oder IgG-Antikörper für das Beschwerdebild verantwortlich.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Allergiker sofortig und bereits bei geringsten Mengen mit den allergietypischen Symptomen Ausschlag, Atemnot und Herzklopfen reagieren. Betroffene von Intoleranzen haben hingegen eine gewisse Toleranzschwelle. Da es sich um eine Abbaustörung handelt, können etwa bei einer Laktoseintoleranz bis zu einem gewissen Grad Milchprodukte genossen werden. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem der Körper aufgrund des vorliegenden Laktasemangels die zugeführte Milch, Butter, Sahne oder den Käse nicht mehr richtig verdauen kann und Beschwerden setzen ein. Wie ist das nun bei der Histaminintoleranz?

Histaminintoleranz – eine Pseudoallergie

Auch bei der Histaminintoleranz handelt es sich um eine enzymatische Abbaustörung. Dem Körper fehlt entweder genügend Diaminoxidase (DAO) oder Histamin-N-Methyltransferase (HNMT), um Histamin schnell genug abzubauen. Doch im Gegensatz zur Laktoseintoleranz befindet sich Histamin nicht nur in einer Lebensmittelgruppe wie etwa Milchprodukten, die leicht abzugrenzen wäre, sondern in zahlreichen Lebensmitteln. Histamin ist nämlich ein Reifungs- und Gärungsprodukt. Dadurch enthalten vor allem lang gereifter Käse sowie abgehängte Wurst wie Salami, aber auch fermentierte Produkte wie Sauerkraut sowie einige Teesorten relevante Mengen Histamin.

Im Unterschied zum Milchzucker (Laktose) produziert der Mensch jedoch auch selbst Histamin und nimmt es nicht nur mit der Nahrung auf. Daher gibt es auch zwei Enzyme, die für den Abbau von Histamin verantwortlich sind. Während DAO großteils im Darm aktiv ist, baut HNMT im restlichen Körper intrazelluläres Histamin ab. Im menschlichen Organismus schütten sogenannte Mastzellen Histamin aus, um beispielsweise gegen Krankheitserreger vorzugehen. Histamin ist somit ein wichtiger Entzündungsmediator. Histamin wird aber auch bei allergischen Reaktionen freigesetzt und ist für die typischen Symptome wie Atemnot, Ausschlag und Herzklopfen verantwortlich. Da Histamin vasoaktiv (gefäßerweiternd) wirkt, beeinflusst es den Blutdruck und Herzschlag. Durch Bronchokonstriktion kann Histamin die Luftwege verengen und zu Atemnot (z.B. beim allergischen Asthma) führen. Obwohl bei der Histaminintoleranz also keine Antikörper am Werk sind, spricht man zuweilen von einer Pseudoallergie aufgrund des allergieähnlichen Symptombilds.

Im Körper ist Histamin als Neurotransmitter sowie Gewebshormon aktiv und ist unter anderem an folgenden weiteren Prozessen beteiligt:

  • Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Brechreiz und Magensäuresekretion
  • Ausschüttung anderer Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und Glutaminsäure
  • Immunsystem

Aufgrund der großen Funktionsvielfalt von Histamin im Körper ergibt sich ein mannigfaltiges Beschwerdebild. Je nach dem, welches Enzym (DAO oder HNMT) stärker betroffen ist, unterscheiden sich die Symptome auch von Betroffenem zu Betroffenem. Das erschwert die Diagnose deutlich. Werden einzelne Symptome für sich betrachtet, führt dies sowohl Patienten als auch Ärzte zuweilen auf die falsche Fährte. Organische Defekte wie etwa ein Herzklappenfehler werden gesucht, aber nicht gefunden. Schlimmstenfalls verleitet dies Ärzte dazu, Betroffene als Hypochonder abzustempeln. Der Leidensweg wird dadurch nur verlängert. Durch Fehlmedikamentation, etwa mit Antidepressiva, wird das Beschwerdebild zuweilen sogar verschlimmert. So kann es Monate bis Jahre dauern bis Betroffene die richtige Diagnose bekommen.

Die Diagnose ist meist schwierig

Wenn vermutet wird, dass eine Histaminintoleranz vorliegt, sollten verschiedene Schritte eingeleitet werden, um andere Krankheiten auszuschließen, darunter:

  • andere Intoleranzen (Laktose-, Fruktoseintoleranz)
  • Zöliakie
  • Allergien, z.B. Latexallergie, Heuschnupfen, Kuhmilcheiweißallergie
  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
  • Reizdarm-Syndrom
  • Mastzellaktivierungserkrankungen wie Systemische Mastozytose

Leider gibt es derzeit nicht den einen zuverlässigen Test – wie etwa den H2-Atemtest bei der Laktoseintoleranz – um herauszufinden, ob eine Histaminintoleranz vorliegt. In der Regel müssen mehrere Diagnoseverfahren von einem Experten zusammengedacht werden. Der behandelnde Hausarzt kann den Patienten dazu zum Allergologen, Immunologen oder Gastroenterologen überweisen. Dieser kann auf folgende, leider jedoch teils sehr fehleranfällige Testverfahren zurückgreifen:

  • DAO-Wert bestimmen
  • Histamingehalt im Blutplasma bestimmen
  • Methylhistamin (Abbauprodukt von Histamin) in Urin und Stuhl bestimmen
  • 50-Skin-Prick-Test
  • Provokationstest
  • Diagnose mittels Eliminationsdiät und Ernährungstagebuch

Derzeit gelten die letzten drei genannten Testverfahren, wovon der 50-Skin-Prick-Test das neueste ist, als am zuverlässigsten. Dieser spezielle Prick-Test kann jedoch nur von einem erfahrenen Arzt zuverlässig durchgeführt werden. Der Provokationstest kann im Fall, dass eine Histaminintoleranz tatsächlich vorliegt, mit starken Beschwerden einhergehen und wird daher von einigen Experten sehr kritisch gesehen. Idealerweise werden Testverfahren wie die Diagnose mittels Eliminationsdiät, bei der sich die Betroffenen für einige Wochen strikt histaminarm ernähren und ein Beschwerdetagebuch führen, mit Diagnoseverfahren wie dem 50-Skin-Prick-Test oder der Ermittlung des DAO-Werts kombiniert. Wenn der DAO-Wert bestimmt werden soll, ist eine rasche Übermittlung der Blutprobe an das auswertende Labor essentiell.

Was passiert nach der Diagnose?

Es gibt unterschiedliche Ursachen einer Histaminintoleranz. Genau wie jede andere Intoleranz auch, kann die Histaminintoleranz vererbt worden und dementsprechend angeboren sein oder sie ist im Laufe des Lebens erworben worden. Verschiedene Faktoren, wie etwa eine langwierige oder wiederkehrende Antibiotikatherapie, können dazu beitragen, dass eine Histaminintoleranz entwickelt wird. Häufig ist in diesen Fällen eine Fehlbesiedlung des Darms ursächlich an der Entstehung der Histaminintoleranz beteiligt, wodurch auch andere Intoleranzen wie die Laktoseintoleranz gleichzeitig auftreten können. Die Therapie zielt in der Folge darauf ab, wieder eine gesunde Darmflora herzustellen.

Betroffene einer angeborenen Histaminintoleranz sind auf eine lebenslange histaminarme Diät angewiesen. Gleichzeitig sollten die Betroffenen darauf achten, Auslöser wie andere biogene Amine und Stress zu vermeiden, um nicht vermehrt körpereigenes Histamin auszuschütten. Darüber hinaus sollten die Patienten auf bestehende Nährstoffmängel untersucht werden. Nicht selten kann beispielsweise ein Zink- oder Magnesiummangel festgestellt werden. Häufig kann die Supplementation dieser Nährstoffe, die Symptome deutlich lindern. So kann die Histaminintoleranz zwar nicht geheilt werden, dennoch ist ein weitestgehend beschwerdefreies Leben mit der Intoleranz möglich.

Titelbild © piksel – 123rf.com

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